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0097 Aus Siberien : vol.1
Aus Siberien : vol.1 / Page 97 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000224
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decke gehüllt und nur der glitzernde Schneestreifen, der das Haupt des Berges Odung bedeckt, ruht wie ein silberner Sargschmuck auf der dunklen Bergpyramide. Doch bald umgiebt uns wieder die frische, lachende Frühlingslandschaft. So wechseln die Bilder wie in einem Kaleidoskop, sich immer von Neuem in den mannigfaltigsten Zusammenstellungen gruppirend. So reizend diese Uferlandschaften des Mrass auch sind, so fehlt doch überall das Herrlichste der Natur, das Leben. Die Natur verbirgt hier gleichsam in der Einsamkeit ihre Wunder; nie haben Menschen diese Gegenden bewohnt, selbst die Thierwelt ist hier ausnehmend schwach vertreten. Höchst selten hört man ein scheues Reh zwischen den Bäumen rascheln, oder den lieblichen Gesang der Vögel. Nur der Bär schleicht vereinzelt durch die Waldungen, da er hier seine Lieblingsspeisen: Beeren, Honig und Cedernüsse, ungestört verzehren kann. Der einzige thierische Laut, der oft durch die lautlose, stille Nacht des Waldgebirges tönt, ist daher auch das Brüllen der Bären. Es ist, als wenn in dieser üppigen Natur das vegetabilische Leben das thierische gleichsam durch seine Allgewalt erdrückt hätte.

Doch die Wahrheit des Spruchwortes „Keine Freuden ohne Leiden" bewährte sich uns auch wieder auf dieser Reise. Die Glieder erstarren durch das lange Sitzen im Kahne, die Sonne sendet ihre glühenden Strahlen auf uns herab und die Gluthhitze erscheint hier auf dem Wasser viel intensiver; und doch muss Alles ruhig ertragen werden, weil die geringste unvorsichtige Bewegung das leichte Fahrzeug umwerfen kann. Wie wünschten wir uns nach dem ersten Tage für die folgenden Tage einen wolkenbedeckten Himmel. Aber wehe uns! der Wunsch ward erfüllt, die Wolken brachten uns in den folgenden Tagen Regen. Jetzt wurden wir nicht nur von oben durchnässt, sondern auch von unten; der Kahn füllte sich bald mit Wasser und wir mussten mehrmals des Tages Halt machen, um das zum Theil mit Wasser sich anfüllende Boot auszuschöpfen. Kaum hatten wir aber nach den Mühen des Tages unsere Boote an's Ufer gebracht, so begannen andere Leiden. Tausende von Mücken umschwirrten uns und stachen so unharmherzig auf uns los, dass Hände und Gesicht in wenigen Minuten mit dicken Schwielen bedeckt waren, selbst meine an derartige Leiden gewöhnten und körperlich so abgehärteten Eingeborenen wälzten sich oft fast wahnsinnig vor Schmerzen auf dem Boden. Wenn es weiterhin