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0104 Aus Siberien : vol.1
Aus Siberien : vol.1 / Page 104 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000224
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licht über die ganze Ansiedelung, die sich am Fusse des Berges bis fast zum Flusse hinzieht. Rings um den Ort steigen dunkle Waldgebirge auf und schliessen das freundliche Thal wie mit einer unübersteiglichen Mauer gin.

Der Verwalter der Goldwäsche und der Arzt des ganzen Kronsgoldwäschen-Bezirkes, der hier seinen Wohnsitz hat, führen hier in der Einsamkeit ein ganz erträgliches Leben. Die Leute sind nur auf sich selbst angewiesen, haben sich aber recht behaglich eingerichtet. Musik, Lektüre, Gartenkultur, Jagd, Fischfang gewähren ihnen so viel Abwёchselung, dass sich das Gefühl der Langeweile, wenigstens im Laufe des Sommers, bei ihnen nur selten einschleichen kann. Im Winter, wo der hohe Schnee sie in die Häuser bannt, soll es dagegen manchmal unerträglich sein.

Das Leben der Arbeiter auf der Goldwäsche geht Jahr für Jahr gleichmässig fort. Zwei Wochen Arbeit und eine Woche freie Zeit. Ihre Nahrung ist den Umständen nach gut, denn sie erhalten Mehl und Fleisch (letzteres einen Theil des Jahres in getrocknetem Zustande) reichlich. Wie sich von selbst versteht, herrscht hier strenge Zucht. Jeder Arbeiter erhält sein Tagespensum; arbeitet er mehr oder an freien Tagen, so wird ihm dies besonders bezahlt. Die schwere Arbeit, die tödtliche Langeweile an freien Tagen und der Mangel an Frauen hat unter den Arbeitern einen grossen Grad von Stumpfsinn und grosse Unmoralität erzeugt, so dass hier schwere Verbrechen, die zuweilen nur aus Langeweile begangen werden, keine Seltenheit sind.. Hier zwei Fälle als Beispiel.

Vor einigen Monaten nahm ein junges Weib ein zweijähriges Kind einer Nachbarin, das sie sonst sehr lieb gehabt, mit in die Radstube und schnitt ihm dort den Hals durch. Sie wurde bei der That ergriffen, gestand Alles ohne Zögern ein und gab als Grund des Verbrechens an, dass in ihr schon lange der Gedanke aufgetaucht sei, sie müsse ein Kind ermorden; endlich habe sich hierzu eine günstige Gelegenheit gefunden; sonst habe sie keine Veranlassung zum Morde gehabt. Vor einigen Wochen wurde hier ein Mann ermordet. Zwei Bergarbeiter waren des Mordes verdächtig. Man setzte sie in gesonderte Gefängnisse und erlangte von dem einen folgendes Geständniss: seine Frau habe mit dem Ermordeten in einem йnerlaubten Verhältnisse gelebt, er habe desshalb beschlossen,