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0277 Aus Siberien : vol.1
Aus Siberien : vol.1 / Page 277 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000224
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gelegenheit nach hergebrachter Sitte. Unbedeutendere Fälle entscheidet der Saisan allein. Gehören die Parteien zu verschiedenen Saisanschaften, so müssen die betreffenden Saisane in Gеmeinschaft das Urtheil fällen. Sind die Parteien nicht zufrieden

I gestellt, so wenden sie sich an die Behörde nach Biisk und diese bringt die Angelegenheit vor das Volksgericht, das ein oder meh-

t rere Male vom Isprawnik von Biisk an einen bestimmten Ort berufen wird und wo unter Vorsitz der russischen Beamten (Isprawnik und Sassjedatel) Saisane und ein grosser Theil der an-

t gesehenen Kalmücken sich versammeln. Im Jahre 1860 wurde

i Ende Juli ein solches Volksgericht an den Ufern des Kenggi-

k Sees berufen. Ich war mit dem Sassjedatel dorthin geeilt und traf noch etwa 30 Jurten voll Kalmücken hierselbst. Leider

,i wurde aber das Gericht plötzlich aufgehoben, da der Isprawnik

9 und Sassjedatel nach Biisk berufen wurden, und ich hatte daher keine Gelegenheit, diesem Gerichte beizuwohnen. Es soll

Т beim Volksgerichte auch nach hergebrachter Sitte gerichtet wer-ï; den, nur im Falle, dass keine Einigung der Parteien erfolgt, fc kann das russische Gesetz angewendet werden. Hier ist der Vor-z sitzende der russische Beamte und drei Saisane sind die Bei-

sitzer; über die Entscheidungen des Gerichtes wird keine Appellation zugelassen. Die Strafgewalt der Saisane beschränkt sich auf kleinere Vermögensstrafen und auf 50 Hiebe, andere Strafen kennt das Kalmückenrecht nicht. Vom russischen Gerichte in Biisk werden nach russischen Gesetzen schwere Verbrechen, wie Nord, Raub, Brandstiftung etc., gerichtet und ausserdem Streitigkeiten zwischen Kalmücken und Russen.

Dass bei der weiten Entfernung des Altai von der Central-Behörde in Tomsk und dem niederen Bildungsstandpunkte der Altajer sich de facto die Verwaltungs-Verhältnisse der Altajer etwas anders gestalten als de jure , ist selbstverständlich. Der russische Beamte kümmerte sich wenigstens zu der Zeit, wo ich den Altai besuchte, sehr wenig um die hergebrachte Sitte und um das Saisanrecht, er betrachtete die Saisane nicht viel besser als wie einen Wolostj -Aeltesten der russischen Bauern und änderte, durch persönliche Vortheile veranlasst, oft schon gefällte Entscheidungen der Saisane. So sind mir mehrere Fälle bekannt, wo Kalmücken gegen jedes Recht für Polizeivergehen in Biisk eingesperrt wurden, wo der Beamte selbst den Saisan bestrafte. Dies Alles sind aber Uebertretungen, die den Ver-