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0337 Aus Siberien : vol.1
Aus Siberien : vol.1 / Page 337 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000224
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oder Fragen, keine ungestümen Bewegungen, überall herrscht Ruhe und Gemessenheit. Natürlich dauert dieses Betragen nur so lange, bis der Branntwein den Leuten zu Kopfe gestiegen, dann beginnen sie zu singen und laut zu lachen; aber auch von Betrunkenen habe ich nie eine Zote gehört, nie ein Liebäugeln mit den Frauen oder irgendwelchen Verstoss gegen die Sittlichkeit gewahrt.

Schon bei der Beschreibung der Jurten und Kleidung der Altajer habe ich vielfach Gelegenheit gehabt, auf diejenigen Laster der Altajer hinzuweisen, die jedem civilisirten Menschen beim ersten Zusammentreffen mit denselben in die Augen fallen, dies sind Faulheit, Unsauberkeit und Trunksucht.

Die Faulheit der altajischen Männer habe ich schon bei Gelegenheit der Beschäftigungen derselben genügend geschildert. Der Altajer bringt den grössten Theil seines Lebens offenbar in vollkommenem Nichtsthun hin. Seine Trägheit ist so gross, dass er nicht den Finger heben wird, um sich selbst die geringste Bequemlichkeit zu schaffen. Nicht zwei Schritte geht er, um sich eine bequeme Unterlage zu holen, wenn er sich einmal gesetzt hat; wenn der Regen durch die Jurte tropft und gerade auf ihn herabfällt, wird er erst dann zur Seite riicken, wenn sein Pelz durchnässt ist. Giebt man dem Führer einen Auftrag, so übergiebt er ihn einem Anderen, bis der Jüngste oder am wenigsten Angesehene sich endlich erbebt und ihn zögernd ausführt. Der auf einer Stelle sitzende Hausherr lässt sich von Allen im Hause bedienen und ertheilt seine Befehle von seinem Platze aus, aufstehen wird er nur im Nothfalle, und bei jeder Bewegung sieht man, wie schwer sie ihm fällt. Und doch vermögen die so trägen und indolenten Menschen, wenn die Verhältnisse sie zwingen, unendlich mehr in körperlichen Beschwerden und Ausdauer zu leisten, als wir in unserer regsamen Geschäftigkeit. Es ist eben nur ein Mangel an Einsicht und in Folge dessen an Willenskraft, der sie von jeder Thätigkeit zurückschreckt. Ich habe die Thatkraft meiner altajischen Führer sehr oft bewundert. Ich erinnere hier nur an meine Irrfahrt im Quellgebiete des Kemtschik im Jahre 1861, wo ich wochenlang mit meinen telessischen Begleitern im Hochgebirge umherirrte, WO wir, unablässig vom Unwetter verfolgt, keinen trockenen Faden auf den Leib bekamen. Weder Kälte noch Hitze, weder die weiten Tagemärsche noch die Beschwerden des Weges über

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