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0344 Aus Siberien : vol.1
Aus Siberien : vol.1 / Page 344 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000224
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Die Wurzel des Baumes durchdringt die Erde, Die Wurzel des Menschen durchdringt das Volk.

Ohne Stamm ist kein Mensch, Ohne Diaass ist kein Stiefel.

Ausserdem entspringt dieses Gefühl aus der grossen Friedfertigkeit und Gelassenheit des altajischen Charakters.

„Einen friedfertigen Kopf schlägt das Schwert nicht ab", sagt das altajische Sprichwort. Der Altajer liebt sich nicht zu erheben , nicht hervorzuthun oder zu prahlen; sein Betragen ist stets gelassen und anständig, nirgends hört man wildes Schreien und die Schimpfwörter der Nachbarvölker sind ihnen unbekannt. Ich kann mich nicht entsinnen, in meiner Gegenwart ein anderes Schimpfwort gehört zu haben, als das „adasyng!" (o dein Vater!).

Bei aller Unterthänigkeit und allein Gehorsam gegen seine Vorgesetzten hasst der Altajer nichts mehr als die Knechtschaft und liebt die Freiheit über alles. Der Name „Knecht" oder „Diener" ist ihm schon so verhasst, dass er lieber Hungers stirbt, als in Dienst tritt. Nur die ohne alle Verwandte aufgewachsenen Waisen schliessen sich als Diener einem fremden Hause an. Das Betragen der ge«ähnlichen Kaimücken den Saisanen und Beamten gegenüber ist ohne alle Kriecherei. Der Altajer Jakob, der ein ganzes Jahr in meinem Hause wohnte, wusste sich so uns gegenüber zu stellen, dass das ganze Dienstpersonal ihn durchaus nicht als Diener ansah. Es giebt kein ärgeres Schimpfwort als „Diener". Eine Beeinträchtigung des eigenen Willens duldet der Altajer nie, wenn er nicht in der befehlenden Person einen Vorgesetzten, einen das Volk zu regieren bestimmten Menschen sieht. Jeder Arme, der sich an die Familie des Reichen anschliesst, hält sich für ein Glied derselben. Er würde eher verhungern, ehe er einem im Befehlstone ausgesprochenen Verlangen des reichen Nachbarn sich fügen würde.

Eine solche Ueberzeugung jedes einzelnen Stammmitgliedes hat zu einem wahrhaft idealen Stammverhältnisse geführt. Das ganze Volk bildet gleichsam eine Familie, die in der Noth einander beistehen. Es herrscht eine Gastfreundschaft, wie man sie sich unter anderen Verhältnissen gar nicht denken kann. Jeder in die Jurte Eintretende ist fast wie ein Familienmitglied betrachtet. Wenn die Familie isst, so isst er mit, ohne dass er für diese