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0346 Aus Siberien : vol.1
Aus Siberien : vol.1 / Page 346 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000224
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zu den grössten Seltenheiten und sollen sehr streng bestraft werden. Die Frau ist dem Manne vollkommen unterthan, sie wagt seinen Namen nicht zu nennen, sondern sagt stets, wenn sie von ihm spricht: „apschyjagym" (mein Alter); sie wagt nicht über die Schwelle der Jurte ihres Schwiegervaters zu treten und nie den Kopf vor jenem zu entblössen. Sie erfüllt alle Befehle des Mannes und sucht ihn stets zu unterstützen. Dafür behandelt auch der Mann die Frau mit einer gewissen Ehrerbietung, anderen gegenüber spricht er von ihr „abakajym" (meine Gemahlin) und wird nie mit ihr in Gegenwart von Freunden scherzen oder schön thun. Ich habe nie gehört, dass ein Mann gegenüber einer Frau die Stimme erhoben hätte. Es soll unerhört sein, dass ein Altajer seine Frau geschlagen habe und dennoch betrachtet er die Frau gleichsam wie von geringerer Race. Dies sieht man schon aus der Ordnung der Erbschaft bei den Altajern. Alles Hab und Gut geht nur auf die Söhne und männlichen Verwandten des Mannes über. Bleiben mehrere Söhne nach, so nehmen nur diejenigen an der Theilung des Erbes Theil, welche beim Tode des Vaters noch im Hause lebten. Diejenigen aber, welche bei Lebzeiten des Vaters einen eigenen Haushalt gegründet haben , d. h. welche vorn Vater ihren Antheil (entschi) erhalten haben, sind von der Erbschaft ausgeschlossen. Bleiben Töchter im Hause nach, so gelten sie als Erbtheil der in demselben lebenden Bruder. Diese verheirathen sie und erhalten für sie den Kalym (das Brautgeld). Dafür haben sie dieselben aber auch bis zur Verheirathung zu ernähren und auszustatten. Die verheiratheten Töchter gelten als Fremde und nehmen nicht an dem Erbe des Vaters Theil, „möge das Volk sie ernähren, zu dem sie jetzt gehören", sagt der Altajer. Das ist vollkommen verständlich, wenn wir bedenken, dass das verheirathete Mädchen sich stets einem fremden Geschlechte anschliesst. Sind nur Töchter nachgeblieben, so geht das Erbe an die Brüder des Vaters oder an seine Vettern über, die dann auch den Kalym für die Töchter erhalten. Nur wenn keinerlei nähere Verwandte des Vaters vorhanden sind, so erhält die Tochter das volle Erbe. Die Mutter, die nach dem Tode des Vaters nachbleibt, gehört zum Erbe und bleibt Hausherrin in der Jurte, die der Sohn erbt; er hat die Pflicht, für die Mutter in derselben Weise zu sorgen wie der verstorbene Vater es gethan.

Der Verkehr der Geschlechter ist bei den Altajern ein voll-