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0383 Aus Siberien : vol.1
Aus Siberien : vol.1 / Page 383 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000224
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thümlicher Typus, der sich scharf von dem mongolischen unterscheidet.

Die Hauptbeschäftigung der hiesigen Einwohner ist der Fischfang; Ackerbau und Viehzucht werden nur sehr wenig betrieben, das Land ist hier schon sehr bergig und der Schnee fällt im Winter sehr hoch. Der Fischfang ist aber ein armseliges Gewerbe, das sieht man auch hier; das durch ihn Erworbene reicht kaum hin, um die Leute zu nähren und zu kleiden. Im Sommer haben sie noch immer ein verhältnismässig erträgliches Leben , wenn aber der lange Winter herankommt, dann beginnen die Leiden; wer dann für seine Fische im Sommer nicht genug Mehl eingekauft hat, der muss Hunger und Noth leiden und Mancher stirbt wegen Mangel an kräftiger Nahrung. Trotz alledem soll die einfache Nahrung der hiesigen Bevölkerung, d. h. in Wasser gerührtes, geröstetes Gerstenmehl und Fische, gar nicht übel bekommen, denn die Leute werden hier besonders alt. So wurde mir ein Mann gezeigt, der 102 Jahre alt und dabei vollkommen rüstig war.

Ich liess hier mein Zelt am Ufer des Mrass auf einem prächtigen Rasenplatze aufschlagen und bald- versammelte sich um mein Zelt die ganze männliche Bevölkerung. Nach historischen Ueberlieferungen forschte ich vergebens, die Leute konnten mir nicht einmal fünf ihrer Vorfahren anführen, was jeder Altajer kann. Auch der oben erwähnte Greis konnte nur angeben, dass sie, wie er von seinem Vater gehört habe, immer ruhig in diesem Lande gelebt hätten. Nichts hätte sich bei ihnen verändert als der Glaube. Immer hätte man sich mit dem Fisch-fange beschäftigt und es wäre, so weit er sich besinnen könne, Alles unverändert geblieben.

Was den Glauben der hiesigen Tataren betrifft, so sind sie nur dem Namen nach Christen und wissen nichts anderes von der christlichen Religion, als dass man getauft wird, sich bekreuzen muss und der Priester jedesmal nach seiner Ankunft das Abendmahl (kysyl araky = rothen Branntwein) giebt. Nur ein hiesiger Einwohner verstand Märchen zu recitiren.

Den ganzen nächsten Tag war ich mit dem Aufzeichnen von Märchen beschäftigt. Der Tag war glühend heiss und die Sonne brannte auf mein Zelt. Trotzdem musste ich den ganzen Tag . schreiben. Meinen Sänger vermochte ich nur durch Branntwein bei guter Laune zu erhalten.