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0347 Aus Siberien : vol.2
Aus Siberien : vol.2 / Page 347 (Grayscale High Resolution Image)

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doi: 10.20676/00000224
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der Strasse herrscht ein wilder Lärm : die Kaufleute in den Laden laden den Vorübergehenden ein, einzutreten, indem sie ihm ihre Waaren mit lauter Stimme anpreisen; die Handwerker hämmern und feilen, Hunderte von ambulirenden Händlern bieten mit starker Lunge Fleisch, Früchte, Medizin u. s. w. feil und schreien, dass Einem die Ohren gellen. Dazu die dichte Volksmasse, die gleich einem Bienenschwarme in der Strasse wimmelt : Beamte, Soldaten, reiche Privatleute mit Sonnenschirm und der mächtigen Brille auf der Nase, meist in dunklen Obergewändern, Kalmücken, Tataren, halbnackte Bettler, welche mit lautem Gezeter die Vorüberschreitenden belästigen; geputzte Frauenzimmer, alte Weiber in Lumpen gehüllt, nichtsdestoweniger aber mit schönen Rosen in den sehr zierlich frisirten Haaren : Alles wälzt und wogt im bunten Durcheinander an uns vorüber. Worte reichen nicht hin, das Bild zu beschreiben und davon nur eine irgendwie richtige Vorstellung zu geben. Stundenlang bin ich auf dem Markte umhergewandelt und habe mich mit dem Anschauen des Strassenbildes ergötzt; trotz aller Unbequemlichkeiten, der Hitze , des Stossens und Drängens konnte ich mich gar nicht satt sehen an der Fülle der Bilder. Die Zeit flieht für den auf der Strasse Weilenden unmerklich hin. Auf der ganzen Ausdehnung des Marktes befindet sich zwischen den Läden und Werkstätten eine grosse Anzahl von Gasthäusern und Schenken. Die letzteren sind, ebenso wie die Läden, nach der Strasse bin offen. Es sind wahre Diebeshöhlen, die vor Schmutz starren; sie sind immer dicht gefüllt. und man hört unablässig schreien, singen und fluchen, wenn man an ihnen vorübergeht. Nach den Erzählungen meiner Begleiter zu urtheilen, beherbergen diese Schenken viele Gauner und Diebesgesindel. Fast jeden Tag soll es Mord und Todtschlag in diesen Spelunken geben. Wenn Jemand erstochen worden, so wird er ganz einfach auf die Strasse geworfen, der Schuldige aber, wenn man ihn ergreift, wandert in's Gefängnis's. Der Prozentsatz von Gaunern, Dieben und Schwindlern soll hier in Kuldsha ein verhältnissmässig grosser sein; das kann auch nicht Wunder nehmen, wenn man bedenkt, dass das Ili-Thal ein Verbannungsort für die Spitzbuben des eigentlichen China, besonders für die schweren Verbrecher von Südchina ist. Diese Verbrecher werden hier losgelassen und Niemand beküminert sich um dieselben, bis sie abermals wegen neuer Verbrechen in die Hände der Polizei fallen.