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0455 Aus Siberien : vol.2
Aus Siberien : vol.2 / Page 455 (Grayscale High Resolution Image)

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doi: 10.20676/00000224
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der sich hier viel stärker zeigt als im stabilen China. Die Litteratur-Erzeugnisse Persiens und Arabiens erschienen als unerreichbare Meisterwerke, die man in Schulen und Medressen erlernte, aber nicht einmal nachzubilden versuchte; die Religionsansichten erstarrten, da nirgends ein Wettkampf mit den benachbarten Andersgläubigen stattfand, und verflachten sich zu grösstmöglichen Aeusserlichkeiten. Der Fanatismus erreichte eine so hohe Stufe, dass es schon als ein Verbrechen betrachtet wurde, wenn es ein Andersgläubiger wagte, den geheiligten Boden zu betreten, an Stelle der frommen Begeisterung trat Heuchelei und Selbsttäuschung. Jede sittliche Basis- ging verloren, und Laster, wie Selbstsucht, Unsittlichkeit, Lug und Trug hüllten sich in den Deckmantel strenger Rechtgläubigkeit.

Zwar wurden Ackerbau und Gewerbe fleissig betrieben,

aber auch nur in einem Maasse, wie es die inneren VerhAltnisse des Landes erforderten. Zwischen den einzelnen Chanaten Kokand, Buchara und Chiwa herrschte eine stete Fehde und die verschiedenen Stämme der Rechtgläubigen plünderten, raubten und schädigten sich unaufhörlich untereinander.

Als Russland durch seine Stellung im Ili -Thale gewisser-

massen gezwungen wurde, eine Verbindung mit Orenburg herzustellen, da. der Chan von Kokand sich stets Uebergriffe gegen die Bewohner der Kirgisen-Steppe erlaubte, kam es zum ersten ernsten Zusammenstosse zwischen Kokand und Russland. Die Bewohner Turans in ihrem Stolz und Eigendünkel hatten nicht die geringste Ahnung von den Machtverhältnissen ihres nördlichen Nachbars, den sie als Ungläubigen verabscheuten. Frieden zu halten, ware für die Religion Schmach und Schande gewesen, es • galt nicht nur, den Kafir zu vertreiben, sondern ihn auch zu vernichten, denn es musste ja die Zeit kommen, wo von Süden der Sultan in das Land der Russen drang und von Osten das geheiligte Volk der Chanate, um den 'früheren Machtkreis wieder zu gewinnen.

Man glaube nicht, dass ich hier übertreibe, denn solche Reden habe ich wirklich auch damals noch vernommen, wo wir nur wenige Werst von Buchara standen.

So wurde der Streit immer heftiger und die Russen mussten in jedem Jahre weiter vordringen, um die unruhigen Nachbaren im Zaume zu halten. Dass dies geschehen musste, wenn man nicht die Kirgisen-Steppe aufgeben wollte, ist leider eine

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