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0329 Aus Siberien : vol.2
Aus Siberien : vol.2 / Page 329 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000224
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der Mitte ist ein etwas erhöhter Fahrweg, auf dem sich grosse zweiräderige Wagen (Arba), kleine Karren, sowie Reiter und Packpferde bewegen. Auf der Strasse gehen allerlei Handler umher, die ihre Waaren auf Brettern tragen und durch laute s Ausrufen die Käufer aufmerksam machen ; zerlumpte und verkommene Bettler, Frauen mit schön frisirten Haaren und Blumen auf dem Kopfe, gut gekleidete Spaziergänger mit riesigen Brillen und Sonnenschirmen; Кalmйсken, zahlreiche Tataren und Kirgisen strömen an uns vorüber, kurz, ein ungemein buntes Gewühl, an dem sich das an die einsame Steppe gewöhnte Auge gar nicht satt sehen konnte. Trotz der Fremdheit des Bildes muss ich gestehen, dass ich mich hier ordentlich angeheimelt fühlte. Man sah sich hier wenigstens von Leben und Arbeit umgeben, gerade wie in einer europäischen Stadt, wenn auch das Kolorit ein fremdartiges war. Ich fühlte mich aus der öden, eintönigen Steppe wiederum in ein Kulturleben versetzt, das Civilisirte erst dann richtig schätzen lernen, wenn sie dasselbe entbehren müssen. Da unsere kleine Karawane viele Neugierige herbeizog, so waren wir bald von einer dichten Menschenmasse umgeben, so dass wir nicht vor- und rückwärts konnten. Vergebens sah ich mich nach unserem Convoi-Soldaten um, er war verschwunden; auch Tutai war etwas abseits geblieben und sprach mit einem Kirgisen. Kaum batte er aber unsere Noth gesehen, als er uns zu Hilfe eilte und ohne weitere Umstände mit seiner Knute auf die Umstehenden loshieb, indem er ausrief: „Orus Amban ! Dieser sehr energische Eingriff schaffte uns bald Luft, der Haufe, zertheilte sich, die Leute gaben uns Raum, wenn auch unter heftigem Schreien und Fluchen, wobei sich recht deutlich ein echt russisches Kraftwort, wenn auch chinesisch entstellt, doch noch verständlich genug vernehmen liess. Tutai hatte uns schon vorher darauf aufmerksam gemacht, dass man sich in chinesischen Städten sehr vor Diebstahl in Acht zu nehmen habe, und ich hatte daher Allen befohlen, sich dicht zusammenzuhalten. Die Vorsicht erwies sich als recht nöthig, beinahe hätte ein diebischer Mitbürger des himmlischen Reiches meinen Mantel vom Sattel geschnallt; zwei Riemen waren schon gelöst als ich die Sache bemerkte, ich folgte daher Tutai's energischem Beispiele und liess, ohne ein Wort zu sagen, meine Knute auf den Rücken des Frechen herabsausen. Erschrocken sprang er seitwärts und rief mir zu, er habe den Rock festschnallen wollen; trotzdem