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0488 Aus Siberien : vol.2
Aus Siberien : vol.2 / Page 488 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000224
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neben sitzen Handelsleute, die eben ein wichtiges Geschäft besprechen, dort sieht man einen Kreis von Männern, die einem Erzähler religiöser Sagen aufmerksam zuhören; hier wiederum kauern Leute, die ein frugales Mahl aus Früchten und Brod verzehren. Hin und her wogt die Menge. Man glaubt in der That in einem öffentlichen Vernügungs-Garten zu sein, und nur die zwischen den verschiedenen Gruppen liegenden andächtig Betenden erinnern an das Gotteshaus. Es ist ein unbegreif= liches Ding der Fanatismus dieser Mohammedaner ! Dieselben Leute, die noch kurz vorher jeden Ungläubigen niedergemetzelt hätten, luden mich ein, in der Moschee zu frühstücken, und nirgends konnte ich bemerken, dass sich Jemand vor dem Kafir entsetzt hätte, nein, sie mischten sich mit in unser Gespräch, das oft im muntersten Tone geführt wurde.

Im Allgemeinen lässt sich nicht leugnen, dass wir Christen hier wenige freundliche Gesichter zu sehen bekamen; die schwarzen Augen blitzten unter den buschigen schwarzen Augenbrauen oft im wilden Feuer, und man fasste wohl unwillkürlich verstohlen nach der Waffe, wenn uns einer dieser stechenden Blicke zugeworfen wurde. Nur ein Theil der Einwohner, wenn auch ein sehr geringer, hat die Christen hier mit wahrem Enthusiasmus empfangen, dies sind die Juden. Welche wunderbare Schickung ! Der Jude, welcher in Europa seit Jahrhunderten in Feindschaft mit. dem Christen gelebt, er begrüsst hier denselben Christen mit leuchtenden Blicken, drängt sich freudig an ihn heran und ist hocherfreut, ihm einen Gruss zuwinken zu können. Stolz betrachtet er den Christen als seinen Freund, seinen Beschützer, in seiner Nähe sieht er verachtungsvoll auf denn Mohammedaner herab.

Mehrere Juden luden uns ein, die Judenstadt zu besuchen. Als wir kaum die ersten Häuser der Judenstadt, die sich äusserlich von den übrigen Stadttheilen durchaus nicht unterscheidet, betraten, sahen wir uns von einer Menge umringt, die uns jauchzend im Triumphe durch die Strasse begleitete. Wir wurden eingeladen, in mehrere Häuser einzutreten, und fanden überаll eine freudige Aufnahme. Brot, Früchte, Thee und aus Weintrauben destillirier Branntwein wurden uns vorgesetzt, und wir genossen das Dargereichte auf der Gallerie, umgeben von einer dichten Menge, die uns neugierig betrachtete. Die Häuser der Juden sind ganz wie die der Mohammedaner eingerichtet und