National Institute of Informatics - Digital Silk Road Project
Digital Archive of Toyo Bunko Rare Books

> > > >
Color New!IIIF Color HighRes Gray HighRes PDF   Japanese English
0514 Aus Siberien : vol.2
Aus Siberien : vol.2 / Page 514 (Color Image)

New!Citation Information

doi: 10.20676/00000224
Citation Format: Chicago | APA | Harvard | IEEE

OCR Text

 

— 472 —

auf den Märkten Mittelasiens stattfindet. Dabei sucht der Handler, wo er nur irgend kann, den Käufer zu übervortheilen und zu betrügen. Die Selbstsucht der Städtebewohner kennt keine Grenzen. Mir ist es selbst passirt, dass ein reicher Mann, der mich in Samarkand herumgeführt hatte, mir durch einen Kirgisen bemerklich machte, dass ihm ein Geschenk erwünscht sei, und dass er, als ich ihm des Versuches halber ein 20-Kopekenstück gab, diese Gabe mit der grössten Freude einsteckte. Das Wort Geschenk (silau) ist überall zu hören und wird bei den kleinsten Diensten, z. B. bei Nachfrage nach einer Strasse, einem Hause, stets mit sehr verständlicher Bewegung der Hand ausgesprochen. Selbst der Händler bittet, nachdem er eine Waare verhandelt, doch um eine Silau. Neben dieser Sucht nach Erwerb ist der Hauptcharakterzug der Städtebewohner der Geiz. Wenn es Etwas zu erwerben giebt, spricht derselbe nie das Wort Fani Diinja (die zerbrechliche Welt) aus, aber desto öfter, wenn es gilt, seinen Geiz zu decken. Daher leben die Reichen fast ebenso armselig wie die Aermsten und geniessen nur dieselben Speisen, höchstens, dass sie bessere- Wohnungen haben und die Fremdenzimmer etwas stattlicher ausschmücken. Ausser der Geldgier und dem Geize sind Feigheit, Grausamkeit, Heimtücke und Heuchelei die hervorragendsten Züge ihres Charakters. Man betrachte nur die Kämpfe mit den Russen, die schreckliche Behandlung von zufällig in ihre Hände gefallenen Gefangenen, gleichviel ob Russen oder Kirgisen, welche man die schrecklichsten Qualen erleiden liess. So wurden einem der Gefangenen die Gelenke ausgerenkt und ihm dann die Knochen .der Arme und Füsse zerbrochen; einem Kirgisen wurde täglich ein Zahn ausgezogen, weil seine Zähne, die das Brot der Ungläubigen gegessen, nicht werth seien, noch fürder Gottes Speise zu zerkauen. Dafür sprechen auch die Vorfälle im vorigen Frühjahr in Dshisak, wo man, als der Emir auf jeden Russenkopf eine Belohnung aussetzte, in der Nacht Wachtposten erstach oder Leichen auf dem Kirchhof ausgrub und ihnen die Köpfe abschnitt, die man dem Emir als Trophäen überbrachte. Man sehe nur den Derwisch auf dem Markte, der um sich die gläubige Menge versammelt und ihnen lügenhafte Träume erzählt, durch die er sich Geld erschwindelt.

Der Landbewohner des Serafschan-Thales macht schon einen viel besseren Eindruck, denn es wohnt ihm eine gewisse Treu-