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0012 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 12 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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des Türketse gol, brachte. Unweit meines neuen Lagers hatte er sich selbst für den Monat August fernab von anderen Zelten niedergelassen. Die Bergweiden hier ganz im westlichen Teil des Barun-Gebietes sind sehr spärlich. Je weiter man nach Westen geht, desto breiter greift der Wüstengürtel ohne jegliches Gras von den abflußlosen Salzsümpfen Ts` aidams in das Randgebirge hinein, so daß z. B. die weiter westlich wohnenden Dsun-Mongolen gar keine Bergweiden mehr haben und ganz auf ihre salzreichen Schilfweiden in der Ts`aidam-Ebene angewiesen sind. Schon im Türketse-Tale können die BarunMongolen nur noch wenige Wochen im Jahr und dann auch nur noch ganz vereinzelt wohnen. Sie sind darum Razzias sogar ganz kleiner Abteilungen von ngGolokh, die sich bei einem Jagdausflug noch ein Andenken aus den Herden der Mongolen aussuchen, fast hilflos ausgesetzt. Wahrlich, es gehört viel Mut, vor allem aber ein uns Europäern fast unbekannter Grad von Fatalismus dazu, daß trotz dieser ewig dräuenden Gefahren die Leutchen mit ihrem ganzen, so leicht zu raubenden Besitz an Herden immer wieder sich dort nieder-

lassen.

Dyoba berichtete, einer von ihnen habe erst den Tag vorher am Alang nor sich überzeugt, daß keine Tibeter dort j agen. Ich könne ziemlich sicher sein. Doch zeigte er mir noch einen Platz weiter aufwärts im Tale, von dem aus ein Beobachtungsposten meiner Leute etwaige Räuberbanden zeitig genug bemerken könnte. Dann aber schleppte er mich noch nolens volens zu einem „Eremiten". Vor einer solch schwierigen Unternehmung, meinte er, muß man sich von einem heiligen Manne die Zukunft weissagen lassen.

Ein einstündiger Ritt über rauhe Granitblöcke steil aufwärts brachte Dyoba Dyentsen und mich mit Tschang zu dem Heiligen. Hoch in den Bergen hauste er unter einem Felsvorsprung, der ihm notdürftig Schutz gewährte. Mit einem Khádar in den Händen, mit Butter und Mehl nahten wir uns nach Landessitte dem Lama. Mit mongolischer Umständlichkeit, mit den allerbilderreichsten Exempeln führte mich Dyoba ein und erklärte ihm den Grund unseres Kommens. Der Heilige, ein etwa siebzigjähriger Greis mit verwitterten Zügen, mit langem, wild und wirr herabhängendem Haupthaar, schien uns zuerst nicht zu beachten. Als ob es ihn gar nichts anginge, zählte er zahllose „Om mani padme hung" an seinem abgegriffenen Rosenkranz. Hatte er einmal herum die 108 Steinkugeln abgebetet, so griff er auch wohl nach einem der Anhängsel am Rosenkranz, einer breiten Pinzette, und zupfte sich damit ebenso eifrig einige eben keimen wollende Barthaare heraus. Ein kleines eisernes Kochgeschirr, ein Yaklederkrug für Wasser, ein Ledersack für Tsambamehl und eine mit Butter gefüllte Kiste, eine kleine Trommel aus zwei menschlichen Schädeldächern, eine Trompete aus einer menschlichen Tibia, tibetische Gebetbücher, die in ein von einer dicken Speckschicht bedecktes Seidentuch gewickelt waren, bildeten das ganze sichtbare Mobiliar seiner Felswohnung. Aber überall, wohin ich schaute, auf Steinstücken, auf Felsplatten, auf Stoffwimpeln, die im Winde wehten, blickten mir tibetische Sprüche entgegen. In der wilden Felslandschaft der braune, bartlose, von Runzeln und Rünzelchen zerfurchte halbnackte Greis, barfuß und barhäuptig, gehüllt in eine einst violett leuchtende, jetzt längst schmierige und zerlumpte Priestertoga, bot ein rührendes Bild. Er gaukelte mir fast den großen Heiligen Antonius in seiner Wüste vor. Und ich hatte mich doch so gesträubt, diesen seltsamen Ort aufzusuchen ! Ich war aber auch in

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