National Institute of Informatics - Digital Silk Road Project
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Meine Tibetreise : vol.2 |
Der durch das Rohr übergeleitete Dampf kühle sich sogleich zum Aker ab.
Meine Frage nach irgend einem Hefezusatz wurde stets verneint').
Wir wurden in der Nacht darauf durch ein Rudel Wölfe sehr beunruhigt.
Während meine Hunde einige der Raubtiere wütend talabwärts verfolgten,
war es anderen gelungen, über meine fünfzigköpfige Schafherde herzufallen
und nicht bloß eines davon zu zerreißen, sondern auch meine ganze Herde zu
vertreiben. Die Sonne stand schon hoch am Himmel, als meine Diener endlich
müde und matt mit dem wiedergefundenen größten Teil der Herde ins Lager
zurückkamen. So mußte ich mich wohl oder übel entschließen, noch einen
Rasttag einzuschieben, bevor ich meinen neuen Zug auf das tibetische Hoch-
land wirklich antreten konnte.
Für diesen Nachmittag hatte ich Dyoba und seinen Schwager zu einem
Festschmaus geladen. Wie ich wohl wußte, waren diese beiden Mongolen für
lange Zeit die letzten Menschen, die harmlos und ohne Mißtrauen zu uns ins
Lager kamen. Meine Leute sollten deshalb sich und den Gästen aufwarten,
was und wieviel sie wollten. Es wurde ein Schaf geschlachtet, Reis gekocht,
von den Weiden um das Lager hatte der eine wilde Zwiebel, der andere eine
Auswahl aus der Unzahl wildwachsender Kräuter herbeigebracht, aus denen
meine Hsi ning-Leute sich Gemüse zu machen verstanden. Aus Brennesseln
wurde sogar eine Art Spinat gekocht.
Es war ein herrlicher Picknickplatz zwischen den blumigen Weiden, auf
denen meine Tiere mit ihrem nicht endenwollenden Appetit sich gütlich taten.
Ein kleines Bächlein, das heute in so gar keinem Verhältnis zu dem riesigen
Erosionswerk des Tales steht, gurgelte im Grunde. Mäßig steil zogen sich aus
der Sohle des Wannentales Hunderte von Metern hoch die grünen Hänge hin-
auf, die als kahle Granitgeröllhalden endigten.
Zum Schluß des Festes gab es das einzige alkoholische Getränk, das ich
noch bei mir hatte : den Stutenmilchschnaps, den mir Dyoba und andere Mon-
golen zum Abschied geschenkt hatten. Nach Landessitte trank man ihn aus
den Teetassen. Die erste Tasse nahm Tsch`eng in die Hand. Unter langsamen,
elastischen, fast tanzenden Bewegungen, unter Wiegen der Hüften sang er
tibetisch das Lob seines Herrn und überreichte mir dann in knieender Haltung
die Tasse. Ähnlich erging es nach mir den beiden Gästen. Chinesische, mon-
golische, tibetische Gesänge folgten in buntem Durcheinander, jeder wollte ein
Liedchen zum besten geben. Ein „Zangsker", ein Couplet, reihte sich an das
andere. Mit müder Stimme, den Kopf auf die Hand gestützt, sang Dyoba selbst
bald von den Mühsalen der Reise im Hochland, bald sang er das Lob seiner
Mongolinnen, bald das von Tibeterinnen, sang von Lhasas Tsepotala und Traschi-
lhumpos (bKraschislhunpo) goldenen Palästen. Und als er gar nicht enden
wollte, und ich fragte, wieviel Lieder er noch wisse, gab er mir mit dem
tibetischen Couplet heraus:
„In Traschilhumpo oben steht ein goldner Tempel.
Auf dem goldnen Tempel oben ist ein goldnes Dach.
Auf dem goldnen Dache oben ist ein goldner Spruch,
Und wenn's auch drei Jahre regnet, geht das Gold nicht weg.
1) Einige Monate später habe ich mich überzeugt, daß der mongolische „Aker" überdestillierter Kumys ist. Die Stutenmilch wird von den Frauen in Bottichen gesammelt. Von dem stattfindenden GärungsprozeB wissen die Mongolinnen meist nichts.
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