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0018 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 18 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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kommen erschöpft hinwarfen. Die Vorstellung, daß eine besondere Gasart,

das „ien tschi", auf den Höhen Tibets besonders „groß" sei und daher das

beengende Gefühl beim Atmen in den Bergen komme, ist allgemein verbreitet.

Auch die niedere Temperatur, die uns so plötzlich überfallen hatte, und die

oben noch um die Mittagszeit sich nahe am Gefrierpunkt hielt, wirkte im Verein

mit dem Weststurm, der uns jetzt um die Ohren pfiff, zumal nach den warmen

Julitagen im Tieflande geradezu schmerzhaft. Kaum wollte es mir gelingen,

die metallene Bussole ruhig zu halten und nur zitterige Zeichen entstanden auf

der feuchtkalten Papierfläche.

Von dem 4815 m hohen Türketse-Passe geht es ganz schwach abfallend

weiter gegen Süden. Der ganze südliche Abfall der großen Ts`aidam-Randkette

liegt unter ungeheuren Moränenmassen verschüttet. Für dieses Gebirge ge-

brauchen wir Europäer den Sammelnamen Burkh`an Buda, die Eingeborenen

freilich, die Mongolen, bezeichnen damit nur einen auffallenderen Gipfel, der

etwas weiter westlich von meiner Route zu finden ist.

Wir alle freuten uns, daß der berüchtigte Aufstieg nach Hochtibet ohne

Verlust gelungen war, und es schien keine weiteren Schwierigkeiten zu machen,

die überanstrengten Tiere am selben Tage noch zu saftigen Weiden zu bringen;

denn das einladendste Grün schimmerte aus der Gegend des Alang nor zu uns

herüber. Aber heute sollte sich für meine Vierfüßler kein grüner Tisch decken,

von dem aus sich das Reisen in Tibet nicht bloß zu Hause, sondern auch manch-

mal an Ort und Stelle ganz einfach ansieht. Wir waren auf einem flach

gegen Süden sich abdachenden Hang, auf in Sand gebetteten Geröllmassen,

die in der sommerlichen Regenzeit mit Wasser sich vollgetränkt hatten. Nicht

die geringste Vegetationsdecke wollte mit verschlungenen Würzelchen den

armen Huftieren darüber helfen. Oft steckten von den fünfzig Ochsen über die

Hälfte bis an den Bauch im Moraste fest und warteten, bis ihre Treiber sie ab-

geladen und herausgezogen hatten. Stunden währte es und noch waren wir

kein Kilometer vorwärts gekommen. Wie am Tsassora und am Merduch` ts`o,

lag meine Herde weithin zerstreut herum. Hier gab ein Tier vor Erschöpfung

den Kampf auf und verdrehte nur noch die Augen, dort suchte ein anderes mit

der letzten Kraft, wie eine Stubenfliege, die auf eine Leimtüte geraten ist, sich

aus dem grundlosen Schlamm zu zerren. Es war eigentlich wunderbar, daß

sich zuletzt doch alle durchackerten. Auf dem halbwegs abgetrockneten Stück-

chen Land, am Ufer eines kleinen Baches, der als Entwässerung wirkte, blieben

sie dann liegen, Mensch wie Tier mit fliegendem Atem. Nur für die Schafe

wollte es kein Halten an dieser Stelle geben, wo es nur einige Polsterpflanzen,

aber nichts zum Naschen gab. Sie waren nur zu gewandt über alle Hindernisse

hinweggekommen und hatten mir, der ich sie hüten mußte, während alle Mann

vollauf bei der Karawane beschäftigt waren, nicht wenig Herzklopfen ver-

ursacht, wie sie so leichtfüßig jeder Ranunkel, Glockenblume oder EdelweiB-

pflanze an den Wänden der umliegenden Felsgipfel nachstürmten. Beinahe

wären sie mir spurlos in eine Seitenschlucht entwischt 1).

 
   

1) Haltloser Morast, ein wassergesättigter Grus aus   Sandstein-

Quarzbröckchen,

krümel und Sand, unregelmäßig mit einzelnen größeren Steinfragmenten des Unter-

grunds durchsetzt, bildet einen großen Teil der Oberfläche von dem Hochtibet, das

ich zu Gesicht bekam. In den Höhen von 4000-5000 m ist die Oberfläche in den

Sommermonaten aufgetaut und nicht bloß die großen Talflächen mit ihren Schutt-

   

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