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0020 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 20 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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Schneetreiben ist die tibetische Hochlandsluft von unheimlicher Klarheit. Wie

früher wurde der strenge Befehl ausgegeben, mit anbrechender Dunkelheit die

Lagerfeuer zu löschen.

Wir passierten am 5. August das breite Steppental dicht westlich des Alang

nor (Alak nor) (Tafel I). Am Seeufer zogen sich üppige Weiden hin. Sonst

wechselten morastige Stellen , Platten mit 10-15 cm hohem Graswuchs und

kiesige Geröllpartien. Um ein kleines Felshügelchen in der Mitte des Tales waren

Sanddünen zusammengeweht, von deren dünnem Graswuchse ein schwacher,

grüner Schimmer ausging. Nirgends aber zeigte sich das kleinste Gesträuch. Tot

schien die Steppe. Wie belebte sie sich aber in scheinbar nächster Nähe mit

Antilopen, Kyang, Wildyak, Wölfen, Füchsen, Murmeltieren und Bären, wenn

ich mein ZeiBglas zur Hand nahm ! Einige Male galoppierte einer meiner Leute

aufgeregt auf mich zu und deutete auf einen beweglichen Punkt in der Ferne.

Zum Glück entpuppte sich der angebliche Tibeter aber jedesmal als ein harm-

loser Bär oder ein Kyang. Auch riesige Herden wilder Yak hielten sich in der

Ebene auf, die in ihrem schwarzen Fell viele Kilometer weit zu erkennen

waren. Sie waren der beste Beweis, daß schon seit einiger Zeit niemand in das

Tal gekommen war. Übrigens sind auch diese wilden Yak durchaus keine ganz

harmlose Nachbarschaft. Obwohl ich im neuen Lager alle Vorsicht walten ließ

und stets zwei Mann als Wache aufgestellt hatte, stand am Nachmittag plötz-

lich ein Yakbulle inmitten meiner grasenden Rinder. Der schwarze Riese er-

schien überlebensgroß im Vergleich zu meinen zahmen Tierchen und stierte

hochmütig und erstaunt auf die unebenbürtigen Wesen herab. Ich zauderte

einen Augenblick, unschlüssig, sollte ich zur Kamera oder zur Büchse greifen.

Meine Wache hatte sich , als das Ungetüm grunzend und seinen mächtigen

schwarzen und buschigen Schwanz schüttelnd angerannt kam, verflüchtigt.

Bis ich selbst aber mit Kamera und Büchse aus dem Zelte trat, war schon

ein Unglück geschehen; in blinder Wut hatte der Bulle sein spitzes Horn einem

meiner Tiere durch das Sattelkissen hindurch in die Seite gerannt und es in

die Höhe geworfen. Erst auf das Zetergeschrei der Leute trabte der Unhold

davon, verfolgt von den Kugeln meiner wieder mutig gewordenen Wache.

Einer der besten Yakochsen aber lag verendet am Boden.

Seit ich beim Überfall am Kuku nor den größten Teil meiner Ausrüstung

und damit auch mein europäisches Zelt verloren hatte, mußte ich mich mit

einem dünnen chinesischen Zelt behelfen. Große Schwierigkeit machte darin

stets das Wechseln der photographischen Platten. Stand auch nur die kleinste

Mondsichel am Himmel, so wurde es sogar unter meiner Bettdecke nicht mehr

dunkel. Am Abend des 5. August war Vollmond zu erwarten und daher während

der ganzen Nacht keine Aussicht auf genügende Finsternis. Ich hatte deshalb

keine geringe Freude, als eine Wolkenbank im Osten das Zeltinnere doch in

tiefstes Dunkel hüllte. Rasch entschloß ich mich, Platten zu wechseln, aber

mitten in diesem Geschäft wurde ich durch einen seltsamen Vorgang gestört.

Meine Begleiter draußen erhoben plötzlich einen betäubenden Lärm. Es wird

geschossen und geschrieen, als ob Räuber vor dem Lager stünden; wie rasend

schlagen sie auf Deckel und Kochkessel, auf alles, was nur irgend Spektakel

machen kann. Scharfe Pfiffe und das Zischen von Geschossen durchdringen

das gellende Geschrei. Jeden Augenblick erwarte ich wie damals beim Amne

Matschen, daß Kugeln mir durchs Zelt sausen. So rasch wie möglich bringe

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