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0021 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 21 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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ich die Platten in Sicherheit und stürze aus dem Zelt, in beiden Händen eine

Mauserpistole mit gespannten Hahnen. Noch immer will das Getöse nicht

enden. Wer von meinen Leuten nicht schießt, schwingt sein Schwert, das in

der magischen Beleuchtung des Lagerfeuers aufblitzt. Drohend fuchtelt einer

mit der langen Lanze. H` an und Tsch`eng stürzen mir entgegen: „Das Un-

geheuer, der gefräßige Himmelsfrosch 1) ist am Himmel erschienen!" — — -

Es war eine Mondfinsternis. Die Wolkenbank war verschwunden, und der

Vollmond stand am klaren Himmel, aber nur ein verschwindend kleiner Teil

seiner Scheibe war noch hell, der größte Teil lag im Erdschatten. Darum hatte

ich im Zelt so schön dunkel gehabt in der Vollmondnacht ! Als die Bedeckung

abnahm, wurde ein Altar errichtet, Weihrauch darauf verbrannt und alle warfen

sich auf die Knie und machten dem glücklich geretteten, geliebten Gestirn den

Ko tou.

Im Süden der Alang nor-Ebene 2) ging es steil aufwärts weiter. Es galt

ein terrassenartig sich erhebendes Plateau zu gewinnen. Viele erratische Granit-

und Kalkblöcke bis zu Kubikmetergröße ragten dort aus rotverwitterten Sand-

massen heraus und ließen mich nicht bloß auf die Geschichte dieser Terrasse

Schlüsse ziehen, sondern auch einen erneuten schwierigen Kampf mit dem

grundlosen Moränenschlamm fürchten.

Noch am Fuße des Abhanges war ich unvermutet auf eine riesige Herde

wilder Yak getroffen. 1200 Tiere konnte ich zählen. Als schwarze, rundliche

Massen hoben sie sich scharf aus dem herbstlichen Grün der mageren Weide

ab. Wie immer hatten sich die Tiere die Nacht über eng beisammen gehalten.

Ihren nächtlichen Lagerplatz verriet noch massenhafte Losung, die, fast auf

1 km Entfernung schon kenntlich, einen ganzen Hügel dicht überzog. Um

sieben Uhr morgens grasten die Yak weithin zerstreut, eine Fläche von mehreren

Quadratkilometern sah aus wie bespritzt mit großen :,chwarzen Tintenflecken.

Bei dem fast fehlenden Graswuchse suchte ich aber vergeblich dieses großartige

Bild aus der Urzeit, das nicht den Menschen, sondern ein ungeschlachtes Rind

als den Herrn des Landes erscheinen läßt, mit der Kamera festzuhalten. Als

ich geäugt wurde, kamen die vordersten jungen Stiere etwas auf mich zu und

drohten mir, die mächtigen Köpfe senkend und schüttelnd, als wollten sie mir

zeigen : Sieh ! so von unten herauf gebrauchen wir unsere Klingen und dann

schleudern wir dich lustig mit dem Horn in die Luft.

Wohl ist das Hochland am Alang nor unbewohnt, allein die Yak werden

doch so oft von Jägern gestört, daß viele die ihnen von dem Menschen drohen-

den Gefahren kennen. Als einige erfahrenere Tiere auf meine anschleichende

Gestalt aufmerksam geworden waren, schob sich die Masse rasch immer dichter

und schwärzer werdend zusammen. Auch der alte Leitbulle hatte bald Wind

bekommen und setzte sich nun im Galopp an die Spitze. Wie ein riesiger,

dicker, pechschwarzer Heerwurm zog es sich scheinbar langsam am Hang

hinauf. Bald klang aber das seltsame Rauschen und Steinkollern von den

Tausenden stampfender Hufe nur noch aus der Ferne zu mir herab. Auf meine

Platte bekam ich nur das Ende des Zuges, dazu einen alten eifersüchtigen

  1. Von den Ts`aidam-Mongolen „arha" genannt; es ist der Ra hu der indischen Mythologie. Das Ungeheuer wird auch oft als Wolf angesprochen.

  2. Oft auch Alak nor ausgesprochen.

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