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0023 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 23 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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Gleich nachdem das erste, scheu über die Sümpfe eilende Rudel mir zu Gesicht

gekommen war, entdeckte ich auch Skelettreste dieses Tieres, namentlich

Schädel mit dem langen, spitzen, oben am Ende noch etwas nach vorn geneigten

Gehörn, die, und zwar gleich zu vielen Dutzenden, auf der Steppe umherlagen.

Sonst hatte nach dem Lagerschlagen nur das Suchen nach wilden Zwiebeln

und trockenem Yakdung , vielleicht die Reparatur eines Sattels oder einer

Hose den gesunden Nachmittagsschlaf der Mannschaft unterbrochen, jetzt ent-

stand eine neue Industrie. Die dünnen Gehörnstangen ließen sich leicht am

Feuer biegen und mit den Messern bearbeiten, und so wollte sich jeder zum

Andenken geschnitzte Peitschenstecken, Knöpfe, Gewehrgabeln mitnehmen.

Mein Urvölkchen war auf ein ihm bisher unbekannt gebliebenes Rohmaterial

gestoßen und verarbeitete es in seiner kindlichen und doch nützlichen Weise.

Grundlose Berglehnen, halsbrecherische Naka (Hochmoore), ungangbare

Sumpfebenen, Strecken, wo jeder Schritt vorwärts für die Karawane die An-

spannung aller ihrer Kräfte bedeutete, ließen mich nur geringe Fortschritte

machen und zwei lange Tage waren wir eingeschneit in Lager 65.

Alle Augenblicke überschüttete uns eine Wolke mit Hagelschnee und voll-

endete voll Ungestüm ein nasses Winterbild. Am Rande eines großen Naka-

Feldes, das wenigstens den Tieren unter der Schneedecke etwas Futter bot,

war mit aller Sorgfalt ein trockenes Plätzchen für die Zelte ausgesucht worden.

Aber auch diese kleine Stelle stand bald unter Wasser. Wohin man treten

mochte, wo man auch im Zeltinnern sich niederlassen wollte, überall quatschte

und klatschte es. Jede Fußstapfe wird alsbald zum See, jeder Gegenstand

fühlt sich naß an, alles trieft vor Feuchtigkeit, durch das Zeltdach sickern bald

hier, bald dort einzelne Tropfen. Ärgerlich über die schlechte Arbeit auf der

feuchten Papierfläche trete ich aus dem Zelt hinaus in den dichten, naßkalten

Nebel. Selbst das Zelt der Mannschaft bleibt unsichtbar, kein Laut verrät die

Anwesenheit meiner mehr als hundertköpfigen Karawane. Nur von einem

nahen Hügel schallt seit mehr denn 24 Stunden wütender Lärm herüber, den

meine Hunde im Kampf mit zwei hungrigen Wölfen um einen Kyangkadaver

verüben. Längst sind die letzten Vorräte von unserem Brennmaterial, dem

getrockneten Wildyakdung, verbraucht. Kaum ein einziges verholztes Würzel-

chen will sich weit und breit als Ersatz finden. Roh essen die Leute ihr Schaf-

und Kyangfleisch, und mit kaltem Wasser statt mit Buttertee kneten sie sich

ihr Tsambamehl. Solche Kost liegt selbst diesen genügsamen Leuten schwer

im Magen.

Am Abend des zweiten Tages legte deshalb Tsch`eng auf einem großen

Haufen zusammengelesener weißer Quarzbrocken ein mächtiges Wildyakhorn

nieder, blies in sein Muschelhorn und verbrannte wohlriechende Zedernblätter,

die er vorsichtig getrocknet mitgeführt hatte. Alle fielen auf die Erde nieder,

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zuerst behend mit allen vier Läufen zugleich in die Höhe schnellen und dann über Felsen und Klippen in die Berge davonstürmen, ist die Bewegung der Orongo beinahe schwerfällig zu nennen, wozu der etwas plumpe Leib mit dem dicken Hals beiträgt. Geht der Orongo flüchtig, so ist es nur ein schnelles Davontraben, dem freilich ein anderes Tier so leicht nicht zu folgen vermag. Die Brunstzeit ist im November, die Wurfzeit der Jungen im Juni und Juli. Die hornlosen Geißen mit ihrem Kalb sah ich bis Ende September einsam gehen. (In den Achselhöhlen der vier Läufe sind die engen Hauttaschen von nahezu 10 cm Tiefe sehr auffallend.)

 
     

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