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0031 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 31 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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Am 14. August war ich wieder einen ganzen Tag eingeschneit und sah nichts. Wenn ich mich auf den Boden setzte, hatte ich zwischen all den Lasten in meinem Zelt etwa gerade so viel Platz wie in einer engen Schiffskabine. Wie neidisch dachte ich doch an Schiffsreisende, wenn ich zwischen meinen engen Zeltwänden tagelang warten mußte, wenn jeder Windstoß einen feinen Sprühregen durch die dünnen Baumwollwände peitschte. Die wenigen Bücher, die ich bei mir hatte, bekamen allmählich ein kartenspielartiges Aussehen und hatten damit den neuen Reiz gewonnen, gleichzeitig zum „Patiencelegen" dienen zu können.

Die einzige Abwechslung bot uns während des neuen Schneetags die Jagd auf einen Kyanghengst, der stundenlang ruhig zwischen meinen Pferden graste, und der plötzliche Tod unseres kleinen Lieblings, des Kyangfüllens. Es stellten sich Krämpfe ein und gleich darauf starb das Tierchen. Auch Lao Sung hatte hier ein kleines Erlebnis. Er sollte die Schafherde hüten, aber sie war ihm entwischt. Herde und Diener waren einen Tag und eine Nacht nicht zu finden. Vor eine bösen Geist (dri [geschr. hdre] tibet.), meinte er am anderen Morgen, seien die Schafe plötzlich auf und davon gerannt. Er wollte eine fürchterliche Nacht gehabt haben ; ganz nahe von ihm hätten Bären gesessen. Am Tage darauf erlegte ich während des Marsches allerdings einen riesigen alten Bären. Im Moment, wo er sich erhob, wurde er noch photographisch verewigt, dann bekam er die tödliche Kugel (Tafel III). Der Stoß, den meine Handkamera bei dieser Jagd erhielt, war ihr zuviel ; es war ihr letztes Werk in Tibet.

Auch die westliche Begrenzung des Sing su h`ai bilden niedere Sandsteinhügel. Zwischen diesen liegt auf einem ganz flachen Passe in sandigem Geröll die Wasserscheide zwischen dem Hoang ho und dem Schogha gol, der viele Tagereisen weiter westlich nach Ts` aidam durchbricht. Noch einmal konnte ich von hier über das Schogha-Tal hinweg eine lange Strecke der prächtigen BurkWan Buda-Berge als einen tief geteilten Gipfelzug übersehen. Bis zu den Pässen hinauf zogen sich die Schuttmassen, die ich als Reste und Zeugen der einstigen tibetischen großen Eisbedeckung ansprechen möchte.

Hier im Lager 69 entbrannte der Streit wegen des Barun-Trinkgeldes mit neuer Heftigkeit unter der Mannschaft. Sung und der Tibeter Tschaschi zerrten sich wutentbrannt an ihren Zöpfen, obwohl sie doch beide leer ausgegangen waren. Sung wollte jetzt seinen Kameraden zwingen, eine bestimmte Last zu übernehmen, von der er behauptete, sie habe einen bösen Geist aufsitzen und drücke ihm jedes Tier, dem er sie auflade. Ich lag noch auf meinen Wolfspelzen ausgestreckt und erwartete durch die offene Zelttüre die ersten Goldstreifen und Rosenfinger des neuen Tages, da kam schon der dreckige Tschaschi heulend auf den Knieen dahergerutscht, seinen dünnen, schmierigen Zopf auf den ausgestreckten Armen mir abgerissen entgegenstreckend. Er hatte immer so stolz dieses Zöpfchen getragen. Obwohl der Boden seines Wachstums nicht größer war als ein Fünfmarkstück, hatte das Zöpfchen bis an die Hüften gereicht. Mit den falschen Haaren und der Seidenschnur am Ende über 1 m lang, hatte es immer so graziös herumgependelt; und diese Zier lag nun ausgerauft, mit den Würzelchen und allen Läuschen ausgerissen vor mir auf meiner Decke. Immer wieder machte Tschaschi vor mir Ko tou, dabei nach tibetischer Weise die Zunge herausstreckend. Und er, der außer seiner Schmutzkruste wohl noch nie einen Hut aufgehabt hatte, trug seinen Kopf nun dick in Tschangs roten Turban gewickelt, damit ja kein Auge die geschändete Stelle erblicke.

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