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0035 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 35 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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glucksend ab, als wir ans Ufer kamen. Über der herbstlich gefärbten Moorfläche stieg eine Lerche empor und verkündete in ihren schrillen Tönen den Frieden der von Menschen unberührten Welt. Wenige Wildyak hoben sich pechschwarz aus dem leuchtenden Gelbgrün und Blau des Himmels heraus. Friede und Glück aber waren nur Schein. Auf der unbewegten Fläche des Seespiegels schwammen die aufgedunsenen Kadaver zweier Yak und am Ufer entlang lagen in Menge Schädel und Knochen verendeter Yak, mehr denn zweihundert von erst vor kurzem gefallenen Tieren. Schon mehrere Tage zuvor war es uns aufgefallen, daß wir so oft auf kranke Yak stießen, die teilnahmslos dastanden, mit triefendem Speichel, stumpf unser Kommen beobachteten und nur müde und matt auswichen, wenn wir ihnen allzu nahe auf den Leib rückten. Hier am See schien der Friedhof der verseuchten Tiere zu sein. In der letzten Verzweiflung, in Fieberglut stürzen sich die Tiere, wie mir die Tibeter schon so oft erzählt hatten, in das kühlende Wasser.

Mit welcher Sorge und Angst ein Yakbesitzer mit seiner Herde durch ein solches Gebiet zieht, wird der Leser verstehen. Ich wußte zwar, daß viele meiner Tiere die Seuche durchgemacht hatten und darum immun geworden waren, aber die unterwegs eingetauschten, die von Barun, waren auch diese seuchenfest? Und die Tiere sind so dumm ! Wie oft sieht man sie einen herumliegenden Knochen wollüstig mit der Zunge belecken! Nein, hier herrschte nicht der Friede , hier herrschte der Tod ! Auf den Felsen am Rande hockten zahllose Geier, kaum noch fähig, sich wenige Meter über den Boden zu erheben. Das war kein Ort zum Rasten. Voll Grausen pfiffen meine Treiber doppelt schrill durch die Zähne. Ihre Auró ! Huhuu ! ließen heute keinem Ochsen die Zeit, einen noch so einladenden Grasbüschel kunstvoll mit der schwarzen langen Zunge zu umfassen und ihn sich schmecken zu lassen. Vorwärts, nur vorwärts! Daß sich keiner den Tod holt an einem verseuchten Hälmchen oder Wassertropfen!

Von dieser beckenartigen Ebene, die weit im Osten durch ein enges Tal

mit dem Sing su h`ai zusammenhängt, muß man nur wenige Meter ansteigen, um unter sich, steil zwischen Schutthängen eingegraben, ein Flüßchen zu sehen, das sich nordwärts zum Schogha gol einen Weg gebahnt hat. Dort hatte icb Lager geschlagen und Tschang war am Nachmittag ausgesandt worden, um für den kommenden Tag den Weg zu erkunden. Kurz darauf war er wieder erschienen und hatte sich zwei Begleiter, zwei „Bän-r" — um dieses schöne chinesische Wort meinen Lesern nicht vorzuenthalten — geholt. Drüben in einem Bache liege verendet der den Tag vorher angeschossene Bär, meinte er. Mit Gewehren, vor allem mit ihren langen Messern in der Hand, rückten sie zu dreien aus, diesem Bären sein Fell abzuziehen. Ich hatte sie gerade erst hinter dem nächsten Hügel verschwinden sehen, da kamen sie schon wieder ohne jede Waffe, aber mit allen Zeichen des Entsetzens zum Lager zurückgelaufen, so schnell ihre Beine sie tragen konnten. Weit voran Tschang, der vorsichtigerweise noch auf seiner Mähre saß und auf diese lospeitschte. Sie hatten sich wohlgemut dem Tiere genähert, das unbeweglich in einem der kalten Bäche lag, an dessen Ufer ein Kyangkadaver zu sehen war. Nur noch wenige Schritte waren die drei „Mn-r" von dem Bären entfernt gewesen, laut hatten sie sich schon gestritten, welcher der Bären von gestern es nun sei, — da, ein schauerliches Stöhnen, das Tier erhebt sich, etwas schlaftrunken, müde zum

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