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0047 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 47 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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~r.

aE

Leute gerade keine Flößer, so zeigten sie sich doch für diese primitive Art der

Floßbaukunst recht anstellig. Jeder von ihnen hatte das Kunstwerk auf seinen

heimatlichen Flüssen schon oft gesehen, die meisten waren auf diese Weise

schon lange Strecken gefahren.

Der erste Nachmittag am Yang tse kiang verlief so bei allen in gehobener

Stimmung. Das Wasser hatte + 12 ° C. Die meisten benützten daher die herr-

liche Badegelegenheit. Keiner der Leute konnte zwar ohne einen vorgebundenen

Luftschlauch schwimmen; aber mit einem solchen, den sie sich der Länge nach

vor die Brust banden, so daß sich fast der ganze Oberkörper über dem Wasser

befand, ruderten sie erstaunlich rasch und geschickt auf dem Flusse. Die Ge-

wandteren bedurften nicht einmal des Anbindens, sie streiften sich nur sicher-

heitshalber das Ende des Strickes, mit dem der Sack geschlossen war, über den

Finger und hielten sich den Sack mit der linken Hand vor die Brust. Wem es

dann freilich erging wie Sung, der das Gleichgewicht auf seinem Ballon verlor

und plötzlich nicht mehr auf ihm lag, sondern hilflos unter ihm zappelte, bis

ihn die Strömung wieder von selbst ans Ufer trieb, der brauchte auch hier für

den nötigen Spott nicht zu sorgen.

Am Abend gaben meine Chinesen vor Freude gar ein Konzert. Fast jeder

hatte sich aus den Flügelknochen erlegter Geier eine Flöte gemacht, und so pfiff

nun neben den Fisteltönen ihres Gesangs noch ein halbes Dutzend nicht zu-

sammengestimmter Blasinstrumente, daß mir die Haare zu Berg standen.

Meine Chinesen aber fanden die Musik so wunderschön, daß sie von ihrem Lager-

feuer aufstanden und vor meine Zelttüre zogen, damit ich sie ja gut hören könne.

Kaum war in der Frühe des 29. August mit der Zusammenstellung des Floßes

begonnen worden, da tauchten plötzlich am jenseitigen Ufer vier Tibeter auf.

Obwohl wir seit fast einem Monat keinen Fremden mehr erblickt hatten, war

doch keiner von uns erbaut, als er jene so eilig aus dem gegenüberliegenden Tale

heransprengen sah.

„A sga yár de már de?" — „Ist euer Sattel gut weich?" (das heißt: Seid ihr

müde?) klang nach einer kleinen Weile gegenseitigen Sichanstaunens der Gruß

in fremdartigem Dialekt von drüben über den Fluß. Es waren vier echte K.` am-

Leute 1). Ohne Hosen, nur in rauhen, blauen Wollkaftanen saßen sie auf ihren

kleinen Pferden. An den Füßen trugen sie sackartige Stiefel, deren grüne und

rote Puloschäfte bis an die Knie reichten. Der dicke, vom ganzen Kopf aus-

gehende Zopf war einige Male um den Kopf geschlungen. Einer war darunter,

dem hing das Haupthaar wild und wirr herunter, wie es gewachsen und vom

Wind zerzaust sein mochte.

„Ya demo?" — „Wie geht es?" „Wer seid ihr?"

„Nga ts`o Selang khar amban ge re!" (Wir sind Hsi Hing amban-Leute!),

riefen meine Begleiter zurück.

„Was wollt ihr hier?"

Stundenlang blieben die vier drüben auf ihren lebhaften Pferdchen stehen

1) Keam (geschrieben: Khams, das s dient nur zur Verlängerung des vorausgehen-

den a) ist keine scharf begrenzte Provinz Tibets. Der Name bezeichnet denjenigen

Teil von Tibet, der zwischen Lhasa und den unter se tschuanesisch-chinesischer Ver-

waltung stehenden Bezirken liegt. Ein Teil davon gehört seit dem Anfang des 18. Jahr-

hundert administrativ zu Hsi ning fu. K`am (tibet.) und Sgang (tibet.) bilden das

von Menschen bewohnbare Bod tschen oder Großtibet.

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