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0049 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 49 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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Noch einen Abend genoß ich das herrliche Bild der grünen K`am-Berge, ehe ich wieder in die kahlen, rauhen Hochsteppen zurückkehrte. Schon verloren die Schluchten und Täler ihre leuchtenden Farben; immer längere, jetzt ineinander fließende Schatten warfen die zahlreichen Berggrate und Felsstufen ins Tal. Kalt, grau rauschte, kaum hörbar, der Yang tse kiang neben mir, Tang sen's sagenhafter Tung t`ien h`o. Die großen Schafherden, die heute den Tag über am jenseitigen Ufer wie Edelweißblüten die Berghänge überzogen, hatten sich längst immer dichter zusammengeballt und zu den schützenden Zeltplätzen zurückgezogen. Auch meine Vierfüßler lagen schon ruhig zwischen den Zelten. Wieder einmal marterte mich eine unvorhergesehene Schwierigkeit. Gedanken an neue Pläne und Aufgaben jagten sich mit der Sehnsucht nach der fernen Heimat, nach den Lieben zu Hause.

Die ständige Sorge vor Überfall, Sümpfen und Viehseuchen war langsam vergessen, nur noch die liebsten Erinnerungen und Bilder der Heimat hielten mich gefangen.

Da ! Was war das, was mich wie die Leute drüben an ihrem Lagerfeuer jäh aufspringen läßt? Gar nicht fern war es gewesen, ein heiserer Pfiff, ganz wie man Yakochsen anzutreiben pflegt! Ohne ein Wort zu verlieren, war jeder zu seinem Gewehr gestürzt und dem Instinkte folgend Hals über Kopf den steilen Hang hinter den Zelten hinaufgerannt. Jeden Augenblick erwartete man das Krachen von Dutzenden von Gewehren. Oben angekommen, sah ich gerade noch, wie meine Hunde unter wütendem Gebell der nächsten Schlucht zuliefen. Es war schon so dunkel, daß man höchstens 100 m weit sehen konnte, was weiter hinten in den Schluchten sich versteckt halten mochte, ließ sich nicht erkennen.

Wir schliefen diese Nacht auf der Anhöhe über den Zelten im Halbkreis, das Gewehr im Arm. Was mochte es nur sein? Was trieb die Hunde wieder und wieder wie rasend in die dunkle Nacht hinaus? Und das trotz des Regens, der schon vor Mitternacht auf uns niederprasselte und allmählich in Schnee überging !

„Tsche li bu gan tsing" („Hier ist's nicht sauber"), hieß es am Morgen. „Hier hausen Gespenster und foppen die Menschen." — „In der Nähe sind Tote ausgesetzt worden,” kalkulierte Tsch`eng weiter. Jedermann war froh, rasch von dem Ort fortzukommen.

Gleich hinter dem Lager verließ ich über einen niederen, aber schnee-

bedeckten Paß das Yang tse-Tal, weil steile Felsen auf dieser Seite den Weitermarsch dem Flusse entlang erschwerten. Nördlich der ersten Bergkette zog sich parallel mit dem Flußtal schnurgerade eine Längsfurche zwischen Schneegipfeln hin. In dieser lag kahl und unwirtlich ein hoher Paß. Nur ein 5 m im

Geviert messendes, mauerartiges Obo, das einige Steinplatten mit eingemeißelten Gebeten, dazu ein paar Yakschädel als Krönung trug, erinnerte daran, daß schon vor mir andere Menschen an diesem frostigen und windigen Ort hatten Lager schlagen müssen.

Von diesem Passe stieg ich in das breite Quertal des Flusses „Tschü mar"

(Rotwasser) hinab, der meine gerade gestreckte riesige Längsfurche in einem tiefen Graben durchbrochen hatte. Eine geraume Weile mußte ich in einer eisigen Wetterwolke mit hagelähnlichem Inhalt weiterreiten. Wie in einer Tarnkappe drang ich bei dem augenblendenden Sturmwind vorwärts und kam so fast bis in die Mitte einer ungeheuren Herde wilder Yak. So rasch, wie das Hagelwetter hereingebrochen war, so rasch war es auch wieder vorüber. Ich

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