National Institute of Informatics - Digital Silk Road Project
Digital Archive of Toyo Bunko Rare Books

> > > >
Color New!IIIF Color HighRes Gray HighRes PDF   Japanese English
0053 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 53 (Color Image)

New!Citation Information

doi: 10.20676/00000264
Citation Format: Chicago | APA | Harvard | IEEE

OCR Text

 

um Geld gespielt werde. Anfänglich spielten sie mit Karten, und als diese in

irgend einem Bache geendet hatten, wurde an einem in die Höhe geworfenen

Kupfercashstück auf mandschurische oder chinesische Schrift gesetzt (gleich

unserem „Kopf oder Wappen"). Am beliebtesten schien das chinesische „Morra-

spiel" zu sein , auch unser Fingerspiel „Stein , Papier , Schere" war meinen

Zentralasiaten wohlbekannt.

Trotzdem es also der Mannschaft recht gut erging — sie waren ja alle unter-

wegs auf dem Marsche beritten und hatten von der Wirkung der dünnen Luft

nur wenig Beschwerde — fühlten sich die Leute in dieser Hochsteppe doch

gedrückt. Die großartige Umgebung, der weite Blick, der so viele Tagereisen

weit reichte, schien sie zu „beklemmen".

„Es ist wieder ein schlechter Ort" — „hier gibt es viele böse Geister," hörte

ich oft im Vorbeireiten einen zum anderen sagen. Die munteren Liebeslieder

ertönten immer seltener. Ein unerklärlicher Alp lastete auf allen Gemütern.

Endlos schien die Ebene. Nirgends war ein Mensch zu sehen, nur ganz aus-

nahmsweise fand sich hier einmal die längst wieder verwaschene Kochstelle

einer früheren Reisegesellschaft als einziges Zeichen, daß vor uns schon Menschen

durch diese Teile der Erde gekommen waren.

Wir schlugen Lager 88 am 10. September neben einem kleinen, aber laut

sprudelnden Bächlein. Etwa 1000 m weiter südlich stiegen erst die mäßig

hohen Randberge aus der großen Ebene auf. Viele tief eingeschnittene Täler

und steile Schluchten zogen sich in die Berge hinein.

Ich war am Nachmittag vom Lager aus auf einen nahen Berg geritten,

um von dort aus einen besseren Überblick für meine Aufnahmen zu gewinnen.

Auf der Höhe hatte ich zwei einsame Yakbullen getroffen, von denen einer

in blödem, dreistem Übermut meinem Schimmel und mir immer herausfordern-

der nachgelaufen kam. Er hatte offenbar noch nie mit einem Menschen zu tun

gehabt. Wild grunzend schüttelte er seinen Buschschwanz, senkte den mächtigen

Kopf mit den spitzen, gedrungenen Hörnern, um ihn dann rasch wieder in die

Höhe zu werfen.

Er fühlte sich so sehr als Herr des Berges, daß ich, als er mir langsam und

immer wieder stehen bleibend und zunickend bis auf zwanzig Schritte auf den

Leib gerückt war, die für ein solches Wild natürlich ungeeignete Mauserpistole,

die ich gerade bei mir trug, auf ihn abdrücken mußte. Ich hörte noch ein un-

artikuliertes Grunzen als Quittung für den empfangenen „Kirschkern", dann

— waren wir beide weit auseinander. Schütze und Wild hatten es für das klügste

gehalten, einem ferneren Duell auszuweichen, nur mein Schimmel stand ver-

dutzt als Unparteiischer in der Mitte. Ich hatte das winzige Gehirn des Tieres

gefehlt und offenbar nur einen unwichtigen Teil getroffen, oder das Geschoß

war an seinem Kopf abgeprallt, was mir in einem anderen Falle nachweisbar

vorgekommen ist.

Von dem Punkt, den ich mir auf solche Weise erst hatte erobern müssen,

konnte ich im Norden die großartige Berg- und Talwelt genießen. Kaum noch

bemerkbar glänzte in der Ferne als weißer Punkt mein Zelt herauf. Gegen

Westen und Nordwesten dehnte sich immer noch breiter die Talebene, der ich

entlang reiste, vor mir aus. Es war die typische, erkältende und doch so lockende

Ode der Tschang tang. Es konnte nicht weit mehr sein zu den ersten abfluß-

losen Seen. So weit wollte ich noch vor den Yüchü ausweichen, ehe ich wieder

35