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Meine Tibetreise : vol.2 |
um Geld gespielt werde. Anfänglich spielten sie mit Karten, und als diese in
irgend einem Bache geendet hatten, wurde an einem in die Höhe geworfenen
Kupfercashstück auf mandschurische oder chinesische Schrift gesetzt (gleich
unserem „Kopf oder Wappen"). Am beliebtesten schien das chinesische „Morra-
spiel" zu sein , auch unser Fingerspiel „Stein , Papier , Schere" war meinen
Zentralasiaten wohlbekannt.
Trotzdem es also der Mannschaft recht gut erging — sie waren ja alle unter-
wegs auf dem Marsche beritten und hatten von der Wirkung der dünnen Luft
nur wenig Beschwerde — fühlten sich die Leute in dieser Hochsteppe doch
gedrückt. Die großartige Umgebung, der weite Blick, der so viele Tagereisen
weit reichte, schien sie zu „beklemmen".
„Es ist wieder ein schlechter Ort" — „hier gibt es viele böse Geister," hörte
ich oft im Vorbeireiten einen zum anderen sagen. Die munteren Liebeslieder
ertönten immer seltener. Ein unerklärlicher Alp lastete auf allen Gemütern.
Endlos schien die Ebene. Nirgends war ein Mensch zu sehen, nur ganz aus-
nahmsweise fand sich hier einmal die längst wieder verwaschene Kochstelle
einer früheren Reisegesellschaft als einziges Zeichen, daß vor uns schon Menschen
durch diese Teile der Erde gekommen waren.
Wir schlugen Lager 88 am 10. September neben einem kleinen, aber laut
sprudelnden Bächlein. Etwa 1000 m weiter südlich stiegen erst die mäßig
hohen Randberge aus der großen Ebene auf. Viele tief eingeschnittene Täler
und steile Schluchten zogen sich in die Berge hinein.
Ich war am Nachmittag vom Lager aus auf einen nahen Berg geritten,
um von dort aus einen besseren Überblick für meine Aufnahmen zu gewinnen.
Auf der Höhe hatte ich zwei einsame Yakbullen getroffen, von denen einer
in blödem, dreistem Übermut meinem Schimmel und mir immer herausfordern-
der nachgelaufen kam. Er hatte offenbar noch nie mit einem Menschen zu tun
gehabt. Wild grunzend schüttelte er seinen Buschschwanz, senkte den mächtigen
Kopf mit den spitzen, gedrungenen Hörnern, um ihn dann rasch wieder in die
Höhe zu werfen.
Er fühlte sich so sehr als Herr des Berges, daß ich, als er mir langsam und
immer wieder stehen bleibend und zunickend bis auf zwanzig Schritte auf den
Leib gerückt war, die für ein solches Wild natürlich ungeeignete Mauserpistole,
die ich gerade bei mir trug, auf ihn abdrücken mußte. Ich hörte noch ein un-
artikuliertes Grunzen als Quittung für den empfangenen „Kirschkern", dann
— waren wir beide weit auseinander. Schütze und Wild hatten es für das klügste
gehalten, einem ferneren Duell auszuweichen, nur mein Schimmel stand ver-
dutzt als Unparteiischer in der Mitte. Ich hatte das winzige Gehirn des Tieres
gefehlt und offenbar nur einen unwichtigen Teil getroffen, oder das Geschoß
war an seinem Kopf abgeprallt, was mir in einem anderen Falle nachweisbar
vorgekommen ist.
Von dem Punkt, den ich mir auf solche Weise erst hatte erobern müssen,
konnte ich im Norden die großartige Berg- und Talwelt genießen. Kaum noch
bemerkbar glänzte in der Ferne als weißer Punkt mein Zelt herauf. Gegen
Westen und Nordwesten dehnte sich immer noch breiter die Talebene, der ich
entlang reiste, vor mir aus. Es war die typische, erkältende und doch so lockende
Ode der Tschang tang. Es konnte nicht weit mehr sein zu den ersten abfluß-
losen Seen. So weit wollte ich noch vor den Yüchü ausweichen, ehe ich wieder
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