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0054 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 54 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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nach Süden zur Untersuchung des Dang la-Gebirges (Tang la) abbog. Vielleicht würde ich bis dahin auch auf die ersten vulkanischen Gesteinsspuren stoßen, die von anderen Reisenden weiter im Westen erwähnt werden, die mir aber bisher noch nie zu Gesicht gekommen waren. Kaum konnte ich meine Augen von den schönen fernen Schneegipfeln im Norden wegwenden. Wie wäre es, wenn ich dort erst mich genauer umsehen würde? Meine nähere Umgebung und die Berge im Süden hatten sehr wenig Anziehendes, da gab es nur eine dichte grüne Decke von Polsterpflanzen auf gerundeten Rücken, aus der die Sandsteinschichten als blaugefärbte Rippen und Kulissen herausschauten.

Tiefer Frieden schien um mich her zu herrschen. Überall in den Schluchten grasten Wildyak- und Kyangrudel. Auch die Marschtage vorher waren uns täglich Dutzende zu Gesicht gekommen. Hier, wo die Wildyak viel weniger unter menschlicher Verfolgung zu leiden haben, als im Tossun nor-Gebiete, blieben sie bei unserem Erscheinen stets sehr ruhig. Ein Stier, der im Lager 84 meine zahmen Yakochsen hatte angreifen wollen und hierbei lahm geschossen worden war (es war dies der zehnte, der diesen Versuch machte), humpelte drei Tage lang mit zwei anderen jungen Stieren den Bergen entlang vor uns her. Den meisten Yak fiel es nicht ein, sich die Mühe zu nehmen, den ein wenig steiler ansteigenden Höhen zuzueilen, sie trabten bei unserem Erscheinen nur ein paar hundert Meter weiter, fielen dann in Schritt und blieben still grasend ganz in der Nähe unserer Zelte, sowie sie nicht mehr von hinten gedrängt wurden.

Ich konnte mich des Eindruckes nicht erwehren, daß diese schweren Tiere doch etwas unter der Höhe zu leiden haben. Wie die Bären, die ich auf der Flucht einen Abhang hinauf stets langsam marschieren und erst, oben angekommen, in den ausgiebigen Bärengalopp fallen sah, so hielten es auch die Yak.

Ganz anders bewegen sich die Kyang. Ihre anziehenden Bewegungen ermunterten uns immer wieder auf den monotonsten Märschen. Es sind hier oben, wo sie nie gejagt werden, neugierige Tiere, zumal die Stuten. Diese werden nicht müde, die fremden Eindringlinge sich immer wieder genau zu besehen. Der alte Leithengst, der stets hinter seinem unfolgsamen Rudel oder auf der Seite treiben muß, hat kaum seine Fohlen und Stuten durch Beißen und Schlagen in Galopp und von uns abgebracht, da biegt schon wieder die Spitze ab und das Rudel galoppiert zur Verzweiflung des wohl mehr eifersüchtigen als furchtsamen Hengstes in einer Entfernung von 200 m neben uns her, ein Tier dicht hinter dem anderen in langer Linie. Der beste Kavalleriewachtmeister bringt seine Reiter nicht in solch gleichmäßige Abstände. Wie auf Kommando : Halt! Front ! fliegen die langen Lauscher hoch und Aug und Ohr der, von vorn gesehen, fast nur weißen Tiere starrt nach uns. Wieder fliegt der Hengst heran, treibt unter pfeifendem, schnarrendem Wiehern, mit dem langen, maultierähnlichen Schweif peitschend, mit Bissen die Stuten an, die ihrerseits die leichte Hinterhand gar oft gegen den Störenfried in Anwendung bringen. Plötzlich kommt ein anderer Hengst aus einem Seitental dazwischen und treibt dem Armen die Stuten auseinander. Mit Wut verfolgt der geplagte Familienvater den Eindringling, während sich seine naseweisen Frauenzimmer die Karawane beschauen. Stundenlang sahen wir diese Bilder. Bald ist es ein ganzes Rudel von 20-40 Stück, bald ein einzelner Hengst, der uns umkreist und dann wieder, wie zu einem Wettlauf herausfordernd, eine Strecke vorausgaloppiert, wobei er seinen großen Kopf horizontal hoch hält, den Hals hirschartig häßlich gebogen,

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