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0063 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 63 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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hatte alle kleinmütig gemacht. Sie verzweifelten an meinem guten Stern und knieend flehten sie mich an, den Rückzug nach Ts`aidam zu versuchen.

Sechs Tage blieben wir in dem mir unvergeßlichen Lager 88 (Tafel IX). Es galt auszusuchen, was wir mitnehmen konnten, was zurückgelassen werden mußte. Wir packten Kiste um Kiste, Warenballen um Warenballen aus. Da waren noch für 45 Tael Messer aus Dankar — jeder bekam jetzt ein neues, das er sich auslesen durfte — da waren noch ganze Seideballen, Drellstücke in mehreren Farben, seidene Gürtel, Garne, Porzellannäpfe, Ziegeltee allein für 25 Tael, eine Last Kandiszucker, eine Last getrocknete Hamitrauben. Da kamen Spiegel heraus, Rosenkränze, Farbenschachteln und alles, was ich aus eigener Erfahrung und vom Hörensagen wußte, daß es in Tibet gangbarer sei als Geld und Barrensilber.

Was wir nicht mitnehmen konnten, warfen die Leute auf einen großen Haufen. Dreißig Pfund Pulver wurden dazugeschüttet und einige hundert Stück Jagdpatron en.

„Ach, was habe ich mich in Schanghai, in Lan tschou und Hsi Hing und Kue de abgemüht!" schrieb ich am 15. September in mein Tagebuch. „Keine Zeit und kein Geld habe ich gespart, um mich so vollkommen als möglich für die große Reise auszurüsten. Umsonst war alles gewesen. Ein Tibetersturm hat die Tiere weggefegt: 19 Pferde und Maultiere in bestem Zustand, 41 rüstige Yak und 30 Ziegen und Schafe. Wir stehen jetzt weit, weit ab von jeder menschlichen Behausung, in einem ungastlichen Hochtal von 4500 m. Und wo sind wir? Noch weiß ich es nicht genau und kann auf die ängstlichen Fragen meiner Begleiter nur unbestimmte Antworten geben. Ich hoffe aber, in den hohen Bergketten im Norden eine Lücke zu finden und durch diese in die TädscbinärGegend von Ts`aidam zu gelangen. Bei täglich 20 km könnten wir — so glaube ich — in zwölf Tagen dort sein.

Meine Leute passen nun scharf auf und treiben die sechs wiedereroberten Yak stets vom Berge ab zum Lager hin. Wenn sie es nur auch am 11. September getan hätten, als ich verletzt in meinem Zelte lag. Der Chinese wird sorglos, sobald sich ein paar Tage keine Gefahr zeigt. Jetzt geht es nach dem chinesischen Sprichwort : ,dsëi tso leao kwan men' (wenn die Diebe fort sind, schließt man die Tür).

Den ganzen Tag wird eifrigst genäht. Aus meinem bunten Drell werden Hosen und Jacken geschneidert. Wer meine Leute in Europa sehen würde, würde sie für verrückt halten. Sie haben nun knallrote Blusen mit grünen Kragen an und zu blitzblauen Hosen trägt gar einer eine grasgrüne Jacke mit ockergelbem Kragen. Auch für die Hunde werden Sättel mit Taschen gemacht;

in diesen sollen sie mir Patronen nachtragen. Aus den Ledersäcken, in denen der Proviant mitgebracht wurde, schneidern wir uns ,luo tse' zurecht, Bundschuhe, wie sie die Hsi ning-Leute zu Hause tragen. Sie sollen uns bei dem langen Fußmarsche das Gehen erleichtern, denn alle fürchten, in unserem bisherigen schweren Schuhwerk fußkrank zu werden.

Hartnäckig schlugen die Hunde heute nacht an, und schußbereit warteten

wir, daß die Bande zurückkehre, um sich in den Besitz der Lasten zu setzen. ,Arro!` riefen wir in die Nacht hinaus. ,Tauscht unsere Tiere gegen Silber ein!' ,Gebt Antwort oder wir schießen!' Da aber zischten nur Kugeln an uns vorbei, und häßliche Verwünschungen und wüstes Lachen gellten uns in die

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