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0068 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 68 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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Am selben Tage (23. September) trafen wir wieder auf die Spuren einer Straße. Indem wir dieser nach Nordosten folgten und aus dem Tal hinauszogen,

kamen wir noch einmal auf die große Moränenfläche hinauf. Immer in nordöst-

licher Richtung weiterreisend, querten wir am 25. und 26. die vegetationslose Hochebene. Wir hatten tagsüber eine Temperatur von + 8 °, ± 9 ° bis + 10°,

jede Nacht aber — 6 ° bis — 8 °. Bei Tage gab's Gewitter und Hagelstürme, fast jede Nacht aber Schnee, der uns wie ein großes Leichentuch zudecken wollte.

Die Leute schlafen auf originelle Weise. Sie legen sich paarweise zusammen, die Köpfe in entgegengesetzter Richtung, und drehen und winden ihre Körper so, daß die Füße je auf die Brust des Kameraden zu liegen kommen. Der Pelz-und Filzrock des einzelnen deckte im Liegen nicht den ganzen Mann, so aber, wie meine Begleiter sich legten, blieben die Füße warm und profitierte immer noch der eine vom Mantel des anderen.

An der Straße, die wir zogen, trafen wir zahlreiche Waka (Kochstellen) früherer Karawanen, wo immer etwas Weide sich zeigen wollte. Die Lagerplätze aber lagen so weit voneinander, daß wir zwei Tage von einem zum anderen brauchten. Der Weg dazwischen war wie gepflastert mit Skeletten und Kadavern von Yak und Pferden von diesem Jahr und von früheren. Die Fan tse-Karawanen reisen immer sehr rasch und rasten wenig, daher haben sie große Verluste.

Als wir bei einem Halt unseren Tee kochten, kam ein seltsames Kleeblatt einträchtiglich des Weges gezogen. Ein kleines Füchslein trabte plötzlich um die nächste Berglehne herum, hinter ihm her trottete ein großer gelber Wolf und wenige Schritte zurück patschte plump Meister Braun daher. Fuchs und Wolf waren rasch im Bild und rissen spornstreichs aus, als sie unser Kochfeuer in die Nase bekamen und uns sahen. Der Petz aber ließ sich Zeit. Er hob sich auf die Hinterpranken, ließ sich wieder schwerfällig nieder und glotzte uns an, bis wir aufstanden, mit Steinen nach ihm warfen und unsere Hundeschar auf ihn hetzten. Da machte er schleunigst kehrt und holte in raschem Trott Reineke und Isegrimm ein.

Am 27. September erreichten wir endlich einen Einschnitt, eine ganz flache Scheide (4870 m) im Zug des Marco-Polo-Gebirges, das sich von hier aus weiter nach Osten in nur wenig hohen Bergen fortsetzt. Wie ich später in Ts`aidam erfuhr, war es der Tschüm tsing-PaB (Tafel XI). Von hier aus führte nach Norden ein steiler Abstieg in ein schon gegen Ts`aidam fließendes Bachtal. Kurz vorher sahen wir in der Ferne zur Rechten einen großen See, dessen blauer Spiegel 15 km weit nach Osten reichte und gar anmutig aus niederen Sandstein- und Tonschieferhügeln herausblinkte. Er lag vor dem östlichen Ende der großen Moränenfläche des Marco-Polo-Gebirges um wenig niederer als 4700 m.

Hier mußte unser Yakkalb sein junges Leben lassen. Es war aber eine große Sache, bis es geschlachtet war. Alle litten unter Hunger, aber keiner wollte ans Schlachten gehen. Vor allem erklärten die Dunganen, diese große Sünde nicht begehen zu können. Endlich überredeten ein paar Aufgeklärtere, insonderheit Da Tschang, den Ma, es zu schächten. Aber nur der Gedanke, daß der gemeinsame Kochtopf unkoscher für sie werde, wenn das Kalb nach Fan tse-Ritus erstickt oder von mir vielleicht erschossen würde, bewog ihn zu der Tat. Den ganzen Schluß des Tages bis in die Nacht hinein gab es noch eine große Debatte über diese Sünde und über die tatsächliche oder nur eingebildete Notwendigkeit, sie zu begehen. In einer einzigen Mahlzeit wurde das ganze vier bis fünf Monate alte Kalb von uns verspeist und doch war keiner

   

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