National Institute of Informatics - Digital Silk Road Project
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Meine Tibetreise : vol.2 |
die Tiere fand sich auch dort noch nicht. Ein paar Kyang — vielleicht waren
es auch Reitpferde gewesen — hatten einmal in der Nähe eine Nacht zugebracht.
Ihren alten, verrotteten Dung fraßen die Yak. Es war schändlich! Eines —
das letzte von den zweien, die wir unterwegs aufgegriffen hatten — war am
Ende seiner Kraft. Es war noch verhältnismäßig fett. Wir schlachteten es
darum und sotten sein Fleisch die ganze Nacht hindurch. Mit Heißhunger ver-
schlangen wir es am Morgen, aber es schmeckte noch immer abscheulich süß-
lich und wirkte erbrechenerregend.
Oktober. Wir haben in der Schlucht unten den Rest der Sachen ver-
graben. Auch das Barrensilber, die Reisekasse, blieb hier zum größten Teil
zurück (Tafel XII). Nur die Notizen und Kartenskizzen wurden mitgenommen.
Die zwei letzten Ochsen durften fast vollkommen leer weitertaumeln. Am
kleinsten Hang aber, wo es nur ein wenig bergauf ging, wollten sie stehen
bleiben und sich niederlegen. Ihr Herz konnte nicht mehr. Die Hochgebirgs-
tiere, die kaum einmal unter 3000 m Meereshöhe herabgekommen sind, litten
gerade so unter der Überanstrengung wie die Menschen. Wir zogen bis in
die Dämmerung hinein auch an diesem Tag weiter. Das Tal des Nätschi gol
war am Nachmittag immer breiter geworden. Der Fluß war ganz fern von
uns weg, als wir uns niederlegten.
Oktober. Noch ehe es hell war, waren wir wieder auf den Beinen. Bald
sind wir mitten in einer ganz flachen Kiesgeröllebene. Kein Halm, kein Busch,
steinige „schala", wie die Mongolen sagen, weit und breit. Und nur ein kleiner
Pfad, wie ein Wildwechsel so schmal, führt direkt nach Norden in die unab-
sehbare, grenzenlose Weite. Es gehört Mut dazu, zu vertrauen, daß da draußen
Menschen wohnen können. Was ist das „Golmo", das ich auf der russischen
Karte finde ? Wohnen dort überhaupt Menschen, ist es vielleicht nur ein Lager-
platzname ?
Kein lebendes Wesen will an unserem Wege sein Heim haben, kein Mückchen
sehen wir fliegen. Nur Pferdegerippe bleichen im Sand. Yakmumien bezeichnen
die Straße. Ständig haben wir Luftspiegelungen vor uns und glauben ganz
nahe an Bäumen und Wasser zu sein. Der kleinste Kiesel wird in der Ferne,
in dem zitternden Lichte, zur riesigen Pappel. Die Ochsen knarfeln fortgesetzt
mit den Zähnen, daß es weithin zu hören ist. Sie sind am letzten. Sie stoßen
mit den spitzen Hörnern nach uns, wenn wir sie antreiben. Es ist der siebente
Tag ohne Futter.
Ein trockener Kamelkadaver in vollkommen erhaltenem Fell liegt am Wege.
Auch solche Tiere verenden hier. Valle del Morte möchte ich das Nätschi-Tal
nennen.
Han und der kleine Go waren noch die lebendigsten von uns. Wir alle hatten
betäubendes Kopfweh, die Fußsohlen brannten und die Beinsehnen waren an-
geschwollen. Ich war im Leben noch nie so matt. Bei jeder kleinen Rast fallen
wir sofort in Schlaf.
Ein wolkenloser Himmel spannt sich über uns. Wir leiden unter der Wärme
des Tieflands. Die + 16 ° empfinden wir schon als Hitze, und dazu haben wir
seit dem Mittag des vorausgegangenen Tages nichts Flüssiges mehr über die
Lippen gebracht. Der flimmernde Dunst, der aus den flachen Mulden aufsteigt,
täuscht uns immer wieder Wasserspiegel vor und wir Dürstenden fallen un-
zählbare Male auf die Täuschung herein.
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