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0073 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 73 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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die Tiere fand sich auch dort noch nicht. Ein paar Kyang — vielleicht waren

es auch Reitpferde gewesen — hatten einmal in der Nähe eine Nacht zugebracht.

Ihren alten, verrotteten Dung fraßen die Yak. Es war schändlich! Eines —

das letzte von den zweien, die wir unterwegs aufgegriffen hatten — war am

Ende seiner Kraft. Es war noch verhältnismäßig fett. Wir schlachteten es

darum und sotten sein Fleisch die ganze Nacht hindurch. Mit Heißhunger ver-

schlangen wir es am Morgen, aber es schmeckte noch immer abscheulich süß-

lich und wirkte erbrechenerregend.

  1.  Oktober. Wir haben in der Schlucht unten den Rest der Sachen ver-

graben. Auch das Barrensilber, die Reisekasse, blieb hier zum größten Teil

zurück (Tafel XII). Nur die Notizen und Kartenskizzen wurden mitgenommen.

Die zwei letzten Ochsen durften fast vollkommen leer weitertaumeln. Am

kleinsten Hang aber, wo es nur ein wenig bergauf ging, wollten sie stehen

bleiben und sich niederlegen. Ihr Herz konnte nicht mehr. Die Hochgebirgs-

tiere, die kaum einmal unter 3000 m Meereshöhe herabgekommen sind, litten

gerade so unter der Überanstrengung wie die Menschen. Wir zogen bis in

die Dämmerung hinein auch an diesem Tag weiter. Das Tal des Nätschi gol

war am Nachmittag immer breiter geworden. Der Fluß war ganz fern von

uns weg, als wir uns niederlegten.

  1.  Oktober. Noch ehe es hell war, waren wir wieder auf den Beinen. Bald

sind wir mitten in einer ganz flachen Kiesgeröllebene. Kein Halm, kein Busch,

steinige „schala", wie die Mongolen sagen, weit und breit. Und nur ein kleiner

Pfad, wie ein Wildwechsel so schmal, führt direkt nach Norden in die unab-

sehbare, grenzenlose Weite. Es gehört Mut dazu, zu vertrauen, daß da draußen

Menschen wohnen können. Was ist das „Golmo", das ich auf der russischen

Karte finde ? Wohnen dort überhaupt Menschen, ist es vielleicht nur ein Lager-

platzname ?

Kein lebendes Wesen will an unserem Wege sein Heim haben, kein Mückchen

sehen wir fliegen. Nur Pferdegerippe bleichen im Sand. Yakmumien bezeichnen

die Straße. Ständig haben wir Luftspiegelungen vor uns und glauben ganz

nahe an Bäumen und Wasser zu sein. Der kleinste Kiesel wird in der Ferne,

in dem zitternden Lichte, zur riesigen Pappel. Die Ochsen knarfeln fortgesetzt

mit den Zähnen, daß es weithin zu hören ist. Sie sind am letzten. Sie stoßen

mit den spitzen Hörnern nach uns, wenn wir sie antreiben. Es ist der siebente

Tag ohne Futter.

Ein trockener Kamelkadaver in vollkommen erhaltenem Fell liegt am Wege.

Auch solche Tiere verenden hier. Valle del Morte möchte ich das Nätschi-Tal

nennen.

Han und der kleine Go waren noch die lebendigsten von uns. Wir alle hatten

betäubendes Kopfweh, die Fußsohlen brannten und die Beinsehnen waren an-

geschwollen. Ich war im Leben noch nie so matt. Bei jeder kleinen Rast fallen

wir sofort in Schlaf.

Ein wolkenloser Himmel spannt sich über uns. Wir leiden unter der Wärme

des Tieflands. Die + 16 ° empfinden wir schon als Hitze, und dazu haben wir

seit dem Mittag des vorausgegangenen Tages nichts Flüssiges mehr über die

Lippen gebracht. Der flimmernde Dunst, der aus den flachen Mulden aufsteigt,

täuscht uns immer wieder Wasserspiegel vor und wir Dürstenden fallen un-

zählbare Male auf die Täuschung herein.

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