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0083 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 83 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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schwarze Haarflechten hingen ihr vor den Ohren bis über die Brust und steckten am Ende in gestickten Zopftaschen. Auch der Hausherr selbst war meinem Tschang kein Fremder. Sie hatten in Kam im selben Hause gewohnt , als Tschang bei den Soldaten diente und zur Eskorte des Hsi Hinger Kommissars gehörte. Der Hoschu dsangen war damals der Vertreter des Tädschinär-Dsassak der chinesischen Regierung gegenüber. Er hatte als solcher schon mehrere Male chinesische Steuerkommissionen nach K`am begleiten müssen. Von einer dieser Expeditionen hatte er auch seine jetzige Frau mitgebracht.

Der Hoschu dsangen Lama dyi und seine Frau waren in keiner geringen Aufregung. Eben hatten sie die Nachricht bekommen, daß der Dalai Lama aus Da kuren (Urga) in Hsi Hing fu eingetroffen sei und sich auf den Weg nach Lhasa mache. Sechshundert Kamele und Tausende von Pferden sollten in allernächster Zeit von den Dam-Mongolen gestellt werden, um die vielen tausend Tael Silber, die ihm die Gläubigen geschenkt, und ungezählte Lasten europäischer Gewehre und Patronen, die von den Olosse, den Russen, stammen sollten, nach Zentraltibet zu tragen. Nicht mit Freude, sondern mit großem Kummer sahen die Leute dem Kommen „Seiner Göttlichkeit" entgegen. War es doch gleichbedeutend mit dem Verlust der Hälfte der Tiere, wenn wirklich der Dalai Lama, wie behauptet wurde, noch im Winter über die Tschang tang zog. Sie hatten j a dafür keinerlei Entschädigung, sondern nur den Segen zu erwarten. „Was nützt der Segen, wenn die Tiere tot sind !" rief unter Schluchzen die nur halb bekleidete Frau, die neben Kinderpflege 1) und Teekochen an der Unterhaltung teilnahm.

Unter diesen Umständen zeigte der Hoschu dsangen nicht die geringste Lust, mir Pferde zu vermieten oder von seinen Untertanen mir vermieten oder verkaufen zu lassen. Ich konnte es ihm nicht verdenken, aber ich konnte auch nicht ewige Zeiten ohne Zelt im Freien leben.

„Ich habe einen großen Paß vom Selang amban, und ich bin ausgeplündert worden. Du, als Oberst, mußt mir helfen," erklärte ich ihm.

„Der Paß geht mich nichts an. Ich kenne nur die Befehlsschreiben der Amban-Dolmetscher. Auch gibt es von hier an nach Osten zu zahllose Räuberbanden. Zumal jetzt im Herbst, wenn die Pferde fett sind, wimmelt es von bösen Gesellen auf allen Straßen2). Es kann hier nicht, wie zwischen Golmo und Tengelik, ein Greis und ein Kind die gemieteten Pferde heimbringen. Sie sind nur in den Händen von vielen Bewaffneten sicher."

Zweieinhalb Tage lang blieb er unzugänglich und wußte nur immer neue Ausreden. Einmal spielte er sich sogar als Bureaukrat auf und behauptete, er müsse erst bei seinem Dsassak in Hädschir anfragen, ob er mir überhaupt Pferde vermieten dürfe. Es hätte mich diese Anfrage mehr als dreißig Reittage gekostet. Auch ein Preis, der ums Vierfache den ortsüblichen Satz übertraf, stimmte ihn nicht um. Weder vermietete er mir, noch verkaufte er mir Tiere. Er sagte uns auch nicht, wo seine Untergebenen wohnten.

Der Tsamba, den wir aus Golmo mitgebracht, ging mittlerweile rasch zur Neige. Der Hoschu dsangen aber wollte uns neue Vorräte nur gegen ganz un-

  1. Wenn ihr Kleinster hustete, blies sie immer auf die Stelle der großen Fontanelle.

  2. Schon in den chinesischen Thronberichten von vor Christi Geburt ist zu finden, daß die „Kiang", d. h. also die alten Tibeter, stets im Herbst, wenn ihre Pferde rund sind, Raubzüge unternehmen.

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