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0085 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 85 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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In der Umgebung der zwei Städte wird noch heute zwischen Busch und

Bäumen Ackerbau getrieben. Die Mongolen benützen ein ausgedehntes Be-

rieselungssystem, das allem Anschein nach früher weit ausgedehnter und besser

war. Es wird hier heute Gerste und tibetischer Weizen angebaut. Die Felder

waren eben abgeerntet. Man hatte an Ort und Stelle gedroschen und die Körner

in Säcke verpackt. Nomoch`an ist der fruchtbarste Platz in ganz Ts`aidam.

Die Salzausblühungen fehlen hier auf einer recht breiten Fläche.

Ich hatte bei dem Marsch durch den dichten Wald unser Häuflein nicht

beisammen halten können und am Abend fehlten im Lager zwei Mann. Lama

dyi und seine zwei Mongolen griffen zu ihren neun Würfeln und rechneten damit

aus, ob die beiden beieinander seien, ob sie noch marschierten, oder ob sie gar

von dem Bären, dessen frische Fußtapfen wir am Nachmittag im Staube unseres

Pfades gesehen batten, aufgefressen seien. Lama dyi hatte vor Bären große

Angst und unterhielt die ganze Nacht rings um uns her lodernde Feuer. Die

Bären, behauptete er, seien sehr erpicht auf Menschenfleisch und würden

Menschen angreifen, wo sie sie treffen. Mit den Luntenflinten und den leichten

Schwertern der Mongolen muß es freilich nicht leicht sein, einem Bären zu

Leibe zu rücken. Die Mongolen hüten sich, in einen offenen Kampf mit den

Tieren sich einzulassen. Jährlich wollen die Mongolen durch die Bären Menschen-

verluste haben. Dabei sollen jene erst im Herbste, wenn die Beeren reif werden,

in die Ebene herabsteigen.

Am nächsten Morgen war Lama dyi sehr stolz. Er hatte aus den Würfeln

gewahrsagt, daß die zwei Verlorenen noch am Leben seien und wieder zu uns

stoßen würden. Wenige Stunden nach Sonnenaufgang fanden sich die beiden

auch wieder zu uns. Tschaschi, der eine von ihnen, war die ganze Nacht umher-

geirrt. Tschang hatte eine Mongolenyurte gefunden, angenehme Bekanntschaft

darin angeknüpft und die Zeit vergessen.

Lama dyi war uns weiterhin ein recht guter Gesellschafter. Er verkürzte

durch viele Geschichtchen den einförmigen Weg über die Sand- und Salz-

flächen. Nomoch`an soll weniger von ngGolokh als von Wanschdäch` heim-

gesucht werden. Der große Wald scheint aber schon manchen der Viehdiebe

das Leben gekostet zu haben. Auf den vielen schmalen Kreuz- und Querwegen

findet sich nur der Einheimische zurecht, und Lama dyi brüstete sich damit,

über ein Dutzend Spitzbuben auf falsche Fährte gelockt und erschlagen zu haben.

Aus der letzten Tädschinär-Yurte besorgte mir Lama dyi noch ein über

sechs Liter fassendes Yakledergefäß. Solche werden von den Tädschinär fast

allgemein an Stelle von Holzbottichen gebraucht, die nur die chinesischen

Kübelmacher in Dankar verfertigen können. Sie werden diesen auch vor-

gezogen, weil sie bei dem ewigen Hin- und Herziehen der Nomaden viel wider-

standsfähiger sind. Man stellt sie her, indem zwei noch nasse Stücke dicker,

ungegerbter Yakhaut mit der Fleischseite nach außen zusammengenäht, die

so entstandene Tasche in die gewünschte Form gebracht, mit Lehm gefüllt und

dann getrocknet wird. Ist die Haut erhärtet, so wird der Lehm wieder ent-

fernt. Diese Behälter sehen sehr unschön aus; solange aber die Außenseite

trocken bleibt, halten sie sehr gut dicht und behalten auch die angenommene

Form bei.

Daß Lama dyi und sein Begleiter (Tafel XXV) — vom zweiten Tage an

hielten sie es nur noch nötig, zu zweien zu sein — sehr „religiös" waren, brauche

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