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0086 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 86 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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ich kaum noch zu erwähnen. Auf dem Marsche wurde auch von ihnen unausgesetzt laut gebetet und jeden Abend bauten sie aus Erdschollen einen kleinen Altar, auf dem bei Sonnenaufgang Tamariskenzweigchen den Ortsgeistern verbrannt wurden. Sie weissagten bei jeder Rast aus Schafschulterblättern, aus neun Würfeln und aus den Rosenkränzen, was in den nächsten Stunden passieren würde. Als ein Rabe kam und mich krächzend umflog, sagten sie gleich, ich hätte großes Glück und würde noch sehr reich werden. Der Rabe ist in Tibet ein Glücksvogel. Auch bei den Lama gilt der Rabenruf für ein gutes Zeichen. Wenn er frühmorgens vor einer Priesterzelle ertönt, sagt sich der Insasse, man werde heute noch nach ihm rufen und ihn für Gebetelesen gut bezahlen. Schon unter den Chinesen in Hsi ning aber gilt der Rabenruf, zumal in Gegenwart von Kranken, für ein schlechtes Omen. Die Chinesen nennen den Raben „lao wo" und er soll „Wa ! wa !", d. h. „Grab ! grab !" (grab ein Grab !) rufen. Wenn er vor einem Krankenzimmer krächzt, werfen ihm die Chinesen ein Papier, worin Asche ist, vor und heben damit seinen Bann auf.

Lama dyi vergaß nie, wenn wir Tee gekocht hatten, über unsere Tardo (tab rdo), über die drei Steine oder Erdschollen, die das dreifüßige Gestell unseres Kochgeschirrs bildeten, die gebrauchten Teeblätter auszuschütten. Dies galt als Opfer für die Ortsgeister. An der Feuerstelle, sagte er, ist die Wohnung unseres Schutzgottes (tab lha, entspr. dem chines. Ts`ao schen) und des Ortsgenius, die uns schaden oder nützen werden, je nachdem wir unser Tardo behandeln. Die Tardo, die drei Steine unseres Waka, stellte auch Lama dyi wie mein Tsch'eng stets neu zusammen, aus Aberglauben benützte man nie die einer früheren Reisegesellschaft. Beim Aufbruch sprach er immer die Worte über das Tardo : „Ich werde dich wiedersehen." Das geschah in der Hoffnung, daB der an der Feuerstelle wohnende Gott, dem er zu essen gegeben hatte, ihn vor jeder Gefahr schützen und glücklich wieder bis an diesen Platz zurückbringen werde. Daß er mit den Worten : „mtschod bambel" von jeder Speise den Göttern eine Libation zuwarf, ehe er davon kostete, brauche ich nach früheren Erzählungen kaum noch zu erwähnen.

Meine Führer hielten auch immer sehr darauf, daB wir alle Knochen fein säuberlich abnagten. „Reisende, die nicht reinen Tisch machen," bedeutete mir Lama dyi, „werden in Tibet sicher von allen Räubern überfallen; an ihrer Verschwendung erkennt man sie als Fremde und reiche Leute, und die Räuber stellen ihnen so lange nach, bis sich eine günstige Gelegenheit zu einem Handstreich bietet." Alle Knochen wurden von ihm sorgfältig aufgeschlagen und das Mark herausgenommen. Nur die Tibia durfte nie geöffnet werden. Warum gerade diese, konnte ich freilich nie feststellen ; es sei sehr gefährlich, wurde

ich belehrt.

Wenn einer von uns niesen mußte meinten sie, irgend jemand habe in der Ferne den Namen des Niesenden ausgesprochen; weiße Flecken auf den Fingernägeln bedeuteten, wie in China, daB irgendwo ein Verwandter gestorben sei, und wenn einer rote Ohren bekam, hieß es gleich, man habe zu Hause Schlechtes über uns gesagt. Wenn ein Schaf geschlachtet worden war, wurde immer der Milzrand betrachtet und daraus auf die Zukunft geschlossen.

Die Dam-Mongolen sind in ganz demselben Aberglauben befangen wie die Tibeter. Sie glauben auch, durch ein Haar oder durch ein Stückchen Fingernagel, das man in einen die betreffende Person vorstellenden Tonklumpen

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