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0094 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 94 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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Nach der langen Wartezeit erhielt General Yen einen Proviantzug von vierhundert Maultierlasten Mehl und Reis nachgesandt. Nun erst konnte er wieder an Verfolgung denken. Um diese Lieferung bewerkstelligen zu können, hatten Wei Fan tai und Tung fu bsiang siebzig vermögende und einflußreiche Dunganen, die sich ihnen in Doba gestellt hatten, aufgefordert, auf eigene Kosten die Maultiere nebst Lasten auszurüsten und zu General Yen zu schaffen. Sie erhielten dafür nicht nur ihr Leben, sondern auch ihr sonstiges Eigentum zugesichert. Prompt kam die Lieferung auch an. Eitel Freude herrschte unter den chinesischen Reitern und auch bei den siebzig Mohammedanern. Wußten sich doch jetzt beide Teile gerettet. Einen Tag jedoch, nachdem die Proviantkolonne ihr Ziel erreicht hatte, übergab ein Karier ein Schreiben Tung fu hsiangs an General Yen. Der Höchstkommandierende befahl darin kurz : „Tötet die siebzig Rebellen, die das Getreide gebracht!" und gehorsam ließ Yen die siebzig Köpfe in den Sand rollen. Dabei fiel auch Yi hsien scheng, der zu Anfang der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts den amerikanischen Botschafter in St. Petersburg, William Rockhill, auf seinen so erfolgreichen Reisen durch halb Tibet und China begleitet hatte 1).

Vom 23. bis 28. Oktober lag ich im Tale des Dulan gol zwischen dem Kloster Dulan gomba und dem alten Chinesenfort, worin General Yen auf seinen Proviant gewartet hatte. Wir lagen am plätschernden Bache wenige hundert Schritte von den Yurten des Wang ka-Mongolenstammes. Es waren aber kaum achtzig Stück davon im ganzen Tal zu zählen. Einige säuberliche, weiße Filzyurten bezeichneten den Sitz des Tsching hai tschün wang ye, des Königs vom Kuku nor (Tafel XIV). Schafe, Pferde, große Kamelherden und farbige Rinder weideten an den staubig trockenen Hängen, auf den nicht sehr hohen Felshügeln, die in zahllose trockene Risse und Felsschluchten zernagt waren. In dem breiten Tal sah man breite Geröllterrassen, in die sich der Bach aber nur wenig eingeschnitten hatte.

Gleich nach der Ankunft hatte ich meine chinesische Visitenkarte nebst Amban-Paß und einer Rolle Seidenzeug zum Wang ye gesandt, um eine Audienz zu erhalten. Mein Geschenk wurde zwar angenommen, aber den Wang ye bekam ich dafür nicht zu Gesicht, und niemand verkaufte oder vermietete mir Tiere, um meine Sachen weiterzuschaffen. Ich saß als geschlagener Flüchtling auf meinen paar Kisten am Bachrand, wo mich der Meren abgesetzt hatte, und konnte schlechterdings nichts anderes tun, als warten und immer aufs neue versuchen, vorgelassen zu werden. Die geringe Wirkung meines Amban-Passes

   
   
 

1) Einen gleichen Wortbruch beging der Präfekt von Hsi ning während der Belagerung der Stadt. Es kam zu seinen Ohren, daß einer seiner Soldaten, der die Wache auf der Mauer hatte, Mohammedaner sei. Der Präfekt versprach dem Manne, er mache ihn zum Offizier, wenn er ihm eröffne, was er von den Absichten seiner Glaubensgenossen wisse. Als dieser von einem Sturm auf die Stadt und noch anderem geredet hatte und nichts mehr wußte, sagte der Präfekt ruhig zu ihm: Gui i chia! (Knie nieder!) und sein Kopf fiel. Das Volk forderte allerdings damals diese äußerste Strenge gegen die Rebellen. Als der Amban und der Dao tai von Hsi ning nach der Niederwerfung mild verfahren wollten, zog eine Volksmasse nach ihrem Ya men und holte die alten Herren heraus; um ein Haar wären beide im Fluß ertränkt worden, weil sie durch ihre Milde sich der Bestechung verdächtig gemacht hatten.

Die Kan su-Chinesen halten ihrerseits die Mohammedaner für beispiellos wortbrüchig. Sie führen stets das Sprichwort im Mund: IB das Brot der Mohammedaner,

aber höre nie auf das, was sie dir sagen."

 

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