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0095 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 95 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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blieb mir ein Rätsel. Ging ich zur Behausung des Wang ye, so ließ sich die Steppenmajestät immer krank melden oder antworten, sie sei durch die Vorbereitungen für einen großen Kamelprozeß in Anspruch genommen.

Zu meinem Glück erschienen am dritten Tage zwei chinesische Dolmetscher

aus dem Amban-Ya men. Sie hatten die Streitsache zwischen dem Wang ye und dessen nächsten Nachbarn, den Nianer-Wanschdäch`e-Tibetern, zu schlichten. Die letzteren hatten dem Wang ye angeblich fünfzig Kamele gestohlen, wollten aber nichts davon wissen. Der Zufall wollte es, daß Schü der eine der Dolmetscher war. Dieser hatte mich und Filchner 1904 auf der Hoang ho-Reise begleitet und kannte mich daher. Überraschend schnell gelang es durch seine Vermittlung, den Wang ye zu sprechen.

Ein wenig kräftig aussehender, schmächtiger Mann, nahe an sechzig Jahre

alt, empfing mich vor der Tür seiner Yurte. Ich hätte eher geglaubt, einen biederen Schneidermeister oder vielleicht einen kleinen Rentier vor mir zu haben als den König vom Kuku nor. Das kleine, dünne Mannecken hatte auch schon gar nichts von einem wilden, asiatischen Despoten, obwohl er á la fan tse in einen großen Pelzrock gekleidet war und ein schönes Schwert mit silberner Scheide horizontal in seinem Gürtel stecken hatte. Auch nicht eine Spur des Geistes der großen mongolischen Kriegshelden, eines Dschinggis Khan und Tamerlan, sprach aus den Zügen dieses Epigonen. Kein Zoll verriet den König ! Nach einer zeremoniellen chinesischen Begrüßung führte er mich in seine Empfangsyurte, die neben einer Tempelyurte und einigen Wohn- und Wirtschaftsyurten stand. Nie hatte ich ein gleich wohnliches Heim bei den Dam-Mongolen gesehen. Die Yurte war viel größer als alle anderen und innen ganz mit grünem Wollstoff ausgeschlagen. Bunte Knüpfteppiche lagen auf dem Boden. Eine Art Pritsche, gleichfalls mit Teppichen belegt, und einige Truhen standen an der runden Wand. Bronzekannen und bronzene Herdgeräte, ein breiter Bronzereif mit getriebenen Svastika-Ornamenten rings um die Feuerstelle vervollständigten die Behaglichkeit der Nomadenwohnung des Steppenkönigs ; alles atmete darin Wohlhabenheit.

Das Reich des Tsching hai tschün wang ist heute in drei Teile gespalten.

Er hat Untertanen in der Nähe des Klosters Dulan, andere sitzen in der Nähe von Gomba soma bei Dankar, wieder andere unweit Kue de ting. Alle sind Viehhirten, die mit ihren Herden in einem ganz bestimmten Rayon hin und her ziehen. Der Tsching hai wang wohnt soviel wie möglich bei seinen Dulan-

Leuten, denn, wie er mir klagte, lassen die frechen Tibeter diese nirgends und

nie in Ruhe und Frieden leben. Er zieht mit ihnen jährlich fünf- bis sechsmal mit Sack und Pack um und macht außerdem in jedem Jahr eine vier- bis sechswöchige Pilgerfahrt nach Gum bum oder nach Kue de oder sonst einem heiligen Platz. Alle fünf Jahre mußte er nach Peking an den Hof und mit einem Ko tou dem Kaiser seine Unterwürfigkeit beweisen, was j edesmal mindestens drei Vierteljahre in Anspruch nahm. Jeden September zum B. Tag des VIII. Monats hatte er sich wie alle Kuku nor-Häuptlinge, Mongolen wie Tibeter, in Tsagh`an tsch`eng bei Schara khoto einzufinden, um sich beim Amban-Bannergeneral zu melden und mit dem Amban zusammen den Gott des Kuku nor anzubeten.

Es ist ein gar bewegtes und aufreibendes Leben, das der Fürst führt, aber trotzdem machte er einen geradezu weichlichen Eindruck auf mich, der sich durch seine auffallend weiße Hautfarbe — er war heller als ich — noch ver-

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