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Meine Tibetreise : vol.2 |
in den offenen Eisenherd. Hellauf flackerten die Holzscheite. Mit kräftigen
Armen ergriff Ihre Durchlaucht die Fürstin den mächtigen eisernen Kochtopf
von der Größe eines Wäschekessels einer gutsituierten Familie bei uns. Seine
Durchlaucht der Fürst hackte Schaffleisch zurecht und Speck nebst einigen
Pfund chinesischer Makkaroni, und der Kronprinz schleppte Wasser herbei.
Als das Mahl bereitet war, erhielt jeder sein Teil vorgesetzt. Es wird in den
Rundhütten der alten Germanen nicht viel anders hergegangen sein. Durch
das prasselnde Herdfeuer wurde es rechtschaffen warm trotz der weiten Offnung
des Rauchfangs, und die Fürstin und ihr Sohn trugen bei dem Geschäft die
rechte Oberkörperhälfte entblößt und zeigten eine Haut, die vor Schmutz fast so
schwarz war wie die eines Negers. Mit einer Art Worcestersauce, die in Dankar
aus Kleie fabriziert wird, und mit Stutenmilchschnaps mundeten mir die
Speisen, als hätte ich nie etwas Besseres gekannt. Ich erfuhr dabei von meinem
Gastgeber, weshalb er mich im Anfang nicht empfangen hatte : es war Angst
gewesen, Furcht vor dem Unwillen des chinesischen Amban. Im August etwa
waren fünfzehn Amban-Reiter zu ihm gekommen und hatten ihn gefragt, ob er
mich nicht gesehen habe. Sie hatten erklärt, ich hätte einen falschen Paß und
sie seien beauftragt, mich zu fassen und nach Hsi Hing zurückzubringen. Er würde
darum nie gewagt haben, für mich eine Hand zu rühren, wenn nicht Schü als
Bürge für mich eingetreten wäre. Erst wollte ich bei diesem Bericht an Boxer-
unruh en glauben, doch Schü hatte mir bereits erzählt, daß in China Friede herrsche.
Der Wang ye versprach endlich auch, meine Lasten und die Diener nach
Dankar zu schaffen. In wenigen Tagen sollte eine Handelskarawane dorthin
abgehen, die meine Sachen befördern konnte. Der Wang ye erklärte, daß er
keinen Lastzug am Kuku nor vorbeibringen könne, ohne daß mindestens zwanzig
seiner Mongolen ihn geleiten. Zum Schluß gelang es mir, um teuren Preis zwei
leidliche Pferde aufzukaufen. Die Wang ka-Mongolen hatten durchgehends
recht schlechtes Pferdematerial, dagegen waren sie gut bewaffnet. Eine Menge
Mannlicher- und Mausergewehre und alte, ausrangierte Karabiner (Modell 71),
die teilweise noch deutsche Regimentsstempel aufwiesen, zierten die Mongolen-
yurten. Einige hatte die Suite des Wang ye gelegentlich einer Tributreise an
den Pekinger Hof von irgend einem chinesischen Winkelhändler erstanden,
andere stammten aus der letzten Rebellionszeit, waren gefallenen chinesischen
Soldaten abgenommen worden. Was für Schicksale mochten nur die zwei
Karabiner gehabt haben, auf denen Ulanenregiment Nr. 19, und gar einer,
auf dem Dragonerregiment 26, V. Eskadron, eingraviert war! In dieser
Schwadron hatte ich meine Vizewachtmeisterübung abgedient. Unser guter
alter Büchsenmacher Jung, der unsere Karabiner wie seine Kinder hütete,
hätte sicherlich die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, wenn er seinen
alten Pflegling wiedergesehen ! Seitdem der Karabiner nach. Asien gekommen
war, hatte er keinen Tropfen Ol mehr schlucken dürfen. Er war nur immer
mit Sand blank gescheuert worden. Als ich ihn ölte und seinen zu kurz ge-
wordenen Schlagbolzen in einer Zeltschmiede wieder zurechthämmerte, war
mir, als müßte ich einem kranken Landsmann aufhelfen.
Eines Tages kam ein Bi tieh sche, ein Kommissar aus dem Amban-Ya men,
mit zehn Soldaten durch das Zeltdorf und kündigte die Ankunft des Dalai Lama
mit dreihundert Begleitern an. Der Dalai Lama war in diesen Tagen von Urga
her in Hsi Hing fu eingetroffen. Er sollte von Dankar bis Ts`aidam durch die
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