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0097 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 97 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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in den offenen Eisenherd. Hellauf flackerten die Holzscheite. Mit kräftigen

Armen ergriff Ihre Durchlaucht die Fürstin den mächtigen eisernen Kochtopf

von der Größe eines Wäschekessels einer gutsituierten Familie bei uns. Seine

Durchlaucht der Fürst hackte Schaffleisch zurecht und Speck nebst einigen

Pfund chinesischer Makkaroni, und der Kronprinz schleppte Wasser herbei.

Als das Mahl bereitet war, erhielt jeder sein Teil vorgesetzt. Es wird in den

Rundhütten der alten Germanen nicht viel anders hergegangen sein. Durch

das prasselnde Herdfeuer wurde es rechtschaffen warm trotz der weiten Offnung

des Rauchfangs, und die Fürstin und ihr Sohn trugen bei dem Geschäft die

rechte Oberkörperhälfte entblößt und zeigten eine Haut, die vor Schmutz fast so

schwarz war wie die eines Negers. Mit einer Art Worcestersauce, die in Dankar

aus Kleie fabriziert wird, und mit Stutenmilchschnaps mundeten mir die

Speisen, als hätte ich nie etwas Besseres gekannt. Ich erfuhr dabei von meinem

Gastgeber, weshalb er mich im Anfang nicht empfangen hatte : es war Angst

gewesen, Furcht vor dem Unwillen des chinesischen Amban. Im August etwa

waren fünfzehn Amban-Reiter zu ihm gekommen und hatten ihn gefragt, ob er

mich nicht gesehen habe. Sie hatten erklärt, ich hätte einen falschen Paß und

sie seien beauftragt, mich zu fassen und nach Hsi Hing zurückzubringen. Er würde

darum nie gewagt haben, für mich eine Hand zu rühren, wenn nicht Schü als

Bürge für mich eingetreten wäre. Erst wollte ich bei diesem Bericht an Boxer-

unruh en glauben, doch Schü hatte mir bereits erzählt, daß in China Friede herrsche.

Der Wang ye versprach endlich auch, meine Lasten und die Diener nach

Dankar zu schaffen. In wenigen Tagen sollte eine Handelskarawane dorthin

abgehen, die meine Sachen befördern konnte. Der Wang ye erklärte, daß er

keinen Lastzug am Kuku nor vorbeibringen könne, ohne daß mindestens zwanzig

seiner Mongolen ihn geleiten. Zum Schluß gelang es mir, um teuren Preis zwei

leidliche Pferde aufzukaufen. Die Wang ka-Mongolen hatten durchgehends

recht schlechtes Pferdematerial, dagegen waren sie gut bewaffnet. Eine Menge

Mannlicher- und Mausergewehre und alte, ausrangierte Karabiner (Modell 71),

die teilweise noch deutsche Regimentsstempel aufwiesen, zierten die Mongolen-

yurten. Einige hatte die Suite des Wang ye gelegentlich einer Tributreise an

den Pekinger Hof von irgend einem chinesischen Winkelhändler erstanden,

andere stammten aus der letzten Rebellionszeit, waren gefallenen chinesischen

Soldaten abgenommen worden. Was für Schicksale mochten nur die zwei

Karabiner gehabt haben, auf denen Ulanenregiment Nr. 19, und gar einer,

auf dem Dragonerregiment 26, V. Eskadron, eingraviert war! In dieser

Schwadron hatte ich meine Vizewachtmeisterübung abgedient. Unser guter

alter Büchsenmacher Jung, der unsere Karabiner wie seine Kinder hütete,

hätte sicherlich die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, wenn er seinen

alten Pflegling wiedergesehen ! Seitdem der Karabiner nach. Asien gekommen

war, hatte er keinen Tropfen Ol mehr schlucken dürfen. Er war nur immer

mit Sand blank gescheuert worden. Als ich ihn ölte und seinen zu kurz ge-

wordenen Schlagbolzen in einer Zeltschmiede wieder zurechthämmerte, war

mir, als müßte ich einem kranken Landsmann aufhelfen.

Eines Tages kam ein Bi tieh sche, ein Kommissar aus dem Amban-Ya men,

mit zehn Soldaten durch das Zeltdorf und kündigte die Ankunft des Dalai Lama

mit dreihundert Begleitern an. Der Dalai Lama war in diesen Tagen von Urga

her in Hsi Hing fu eingetroffen. Er sollte von Dankar bis Ts`aidam durch die

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