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0100 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 100 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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überführen, daß sie zu den übelbeleumundeten ngGolokh-Horkurma gehörten. Mein Besuch im Tscien hu-Zelte gestaltete sich auf diese Weise recht bewegt.

Nur auf einen Sprung blieben die beiden Männer im Zelt. Sangr, der Bruder des Ts`ien hu, brachte es aber in dieser kurzen Spanne Zeit fertig, dem Dolmetscher Schü die geringe Achtung der Horkurma-Kaufleute vor der chinesischen Macht in wenig schmeichelhaften Worten unter die Nase zu reiben, mich um einen Betrag von einigen hundert Tael, verzinslich zu zehn Prozent, anzupumpen und zu guter Letzt auch noch seine Pferde in den Himmel zu loben; sie holten jeden Kyang ein und im eiligsten PaBtrabe blieben die Rücken seiner Tiere so ruhig, daß ich noch den kleinsten Vogel treffen könnte. Sangr war ein wild aussehender Fan tse mit hoher, zerfetzter Fuchsfellmütze. Immer sein Schwert locker im Gürtel, wärmte er seine nackte bronzefarbene Brust an der Glut des ausgebreiteten Dungs, und wie eine Rätsche, schneller als ein Akka sein „Lama la sumptschiu ..." herunterschnurrt, ging sein Mundwerk. Seine schwarzen, lauernden, listigen Augen schweiften unausgesetzt von einem zum anderen seiner Hörer, und nichts schien ihnen zu entgehen. Beim Sprechen ließen seine feinen, dünnen Lippen für einen Tibeter sehr regelmäßig stehende, blitzblanke Zähne sehen. Er war der geborene Sprecher des Tseien hu. Große tibetische Häuptlinge benützen für wichtigere Angelegenheiten meist einen „nirba" (gnyerba), einen Majordomus, d. h. einen Mann, der für sie spricht. Wenn dieser etwas gesagt hat, was sich nachträglich als unausführbar oder unklug herausstellt, so hat es noch nicht der Häuptling gesagt; die Abmachungen sind für diesen nicht verbindlich.

Als die zwei Männer wieder fortgestürzt waren, unterhielten uns die achtunddreißigjährige, leicht angerunzelte Frau und eine Tochter, eine rotbackige Maid von siebzehn Jahren, die ein schweres, silbernes Rückengehänge im Wert von 400 Tael trug, durch Sologesänge, die sie mit einer Zupfgeige begleiteten. Das Instrument bestand aus einer roh gearbeiteten, dünnen Holzschachtel, einer darübergezogenen Schlangenhaut und einem daran befestigten Stock. Mit Hilfe eines Steges waren drei aus Pferdehaaren gedrehte Saiten darübergespannt.

Man legte sich zur Ruhe, ohne daß die Männer zurückgekommen waren. Das tibetische Zelt war, verglichen mit den Mongolenyurten, sehr luftig und kalt. Die ganze Nacht blieb die Türe weit offen und auch der breite, 4 m lange Spalt über dem Herd. Nur zwei vertikale Stangen standen im Inneren des riesigen Zeltes. Diese trugen auf aufgesetzten Sakralwirbeln von Rindern einen langen Horizontalbaum, der als First von vorn nach hinten lief und der die beiden großen, mit Stricken verbundenen Zelthälften gerade über dem Feuer hochhielt. Da die anderen Stützen außen um das Zelt herum so hoch waren, daß zwischen ihnen die Zeltdecke beinahe horizontal ausgespannt war, so bot das Innere ungemein viel Raum. Dabei war keine der vielen Stangen sehr dick und keine länger als 212 m. Alle konnten also leicht auf Yaksättel gebunden und hin und her geschleppt werden. Der Schutz freilich, den die Behausung bot, war gering. Bei der kräftigen Nachtbrise schlugen die seitlichen Zeltwände, die in beinahe rechtem Winkel von der Decke herabhingen, immerzu Sand

und Staub ins Innere.

Nach kurzem Schlaf schreckte uns lautes anhaltendes Hundegebell. Von einer nahe gelegenen Anhöhe hörte man schrilles Pfeifen und in nicht großer Ferne ertönten Schüsse und wilde Juchzer. Waren unsere Gastfreunde an-

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