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0102 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 102 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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verwendete Rhabarber (das Rheum tanguticum) auf das vorzüglichste und deshalb kommen fast alljährlich einige mohammedanische Tschang gui de (Meister) hierher und lassen nach den Knollen (Rhizomen) graben. Sie haben dafür an den Fürsten je ein gutes Pferd als Entgelt zu bezahlen.

Während meines Aufenthalts in Dulan wohnte ich im Ya men des Wang. Mobiliar gab es darin nicht, nur nackte Wände. Diese aber waren wie in chinesischen Gasthäusern mit Gedichten über und über bekritzelt. Chinesische Soldaten und Dolmetscher, Kaufleute und Goldsucher hatten Zitate und eigene Dichtungen mit Tusche an die Wände gemalt. Ich fand da manchen originellen Spruch, als blätterte ich an einem Regentage im Fremdenbuche irgend eines schweizerischen Aussichtspunktes. Da lobte einer die schönen Berge, das kostbare Gehörn der Hirsche, die er hier gesehen, den Moschus und das Gold in den Bächen. Ein Versemacher aber klagte also :

„ren dsai wai bien sin dsai dia

tse wei yin ts`ien tsong tien ya fu mu t ang trien tsch`ang goa nien tschi dsai fang tschung schu deng hoa."

was auf deutsch etwa lautet:

„Weit, ach weit zog ich von hinnen,

Ließ mein Herz im Heimatland,

Zog mir, Schätze zu gewinnen,

Bis zum fernen Himmelsrand.

Vater, Mutter vor der Hütte,

Schließen ihre Augen nicht,

Und in meines Hauses Mitte

Pflegt mein Weib (nur) den Docht am Licht."

Ein echt und gut chinesischer Sohn, dachte der Schelm zuerst an seine alten Eltern, die sich seinetwegen die Augen aussehen, dann aber als Haustyrann an seine Frau, die er in sicherer schwiegermütterlicher Obhut weiß, und der an den langen Abenden nichts anderes zu tun übrig bleibt, als den Docht der schwelenden Hanfölfunsel wieder und wieder zu beschneiden.

In Dulan angekommen, wurde mir vom Nirba des Wang ye eröffnet, daß die Wang ka die Abreise ihrer Handelskarawane noch weiter hinausgeschoben hätten. Es war gar nicht abzusehen, wann der Wang ye überhaupt meine Sachen zurückbefördern würde. Deshalb mußte ich hier wiederum einige erzwungene Tage der Ruhe einlegen.

Am 3. November endlich kam Schü mit seinem Dolmetscherkollegen von den Wanschdäch`e. Sie hatten den Kamelprozeß nicht schlichten können und auch in der ngGolokh-Horkurma-Affäre vermochten sie nichts auszurichten. Beide Dolmetscher waren trotzdem mit ihren Geschäften wohl zufrieden und wollten nun, so rasch es ging, nach Dankar zurückreisen. Sie ritten „Ula", d. h. die Eingeborenen am Wege mußten sie von Stamm zu Stamm mit Pferden und Führern versehen. Sie rechneten, auf diese Weise bereits nach sechs Tagen in Dankar einzutreffen. Schü hatte vom Ts`ien hu ein gutes und junges Pferd geschenkt bekommen; dieses verkaufte er mir zu einem annehmbaren Preis, und damit konnte ich mich mit zweien meiner Diener den Dolmetschern anschließen. Ich nahm nur wenig Proviant und meine Notizbücher und Kartenskizzen mit mir, der übrige Troß und der Rest der Diener hatte auf die Wang ka zu warten. Gerade als wir abritten, kamen Tsch` eng und Me, die ich eine Woche zuvor auf ihren Wunsch entlassen und ausbezahlt hatte, heulend zu mir und klagten, daß die beiden Dolmetscher ihnen 10 Tael abgenommen hätten, weil sie ohne Lizenz in Tibet Geschäfte trieben. Tsch`eng hatte in der Zwischenzeit Geld für alte Stiefelschulden bei den Nianern einkassiert. Natürlich blieb mir

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