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0104 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 104 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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besetzen konnten, es aber zu einem Thronerben nicht mehr reichte; jetzt war der älteste Sohn des herrschenden Wang ye an die Familie des Hartschiu Dsassak verschenkt worden, weil diesem ein männlicher Erbe versagt war.

An diesem Abend sah ich die beiden Tung sehe nicht mehr, dagegen hörte ich sie angestrengt arbeiten. Weil die Mongolen ihnen nicht rasch genug ein Schaf brachten, setzte es Prügel; weil das Schaf, als es endlich kam, nicht fett war, hagelte es Prügel; weil die Mongolen zu einem Stamm im Norden des Kuku nor und nicht zu einem Stamm im Süden die Ula stellen wollten, sausten nochmals die Prügel. Meine Begriffe von den Machtbefugnissen der Chinesen wurden hier vollkommen auf den Kopf gestellt. Ich hätte nie geglaubt, daß Chinesen in Tibet ein solch anmaßendes Benehmen wagen würden. Ich erwartete in jedem Augenblick ein Zusammenrotten und eine allgemeine Empörung der Eingeborenen und suchte meinem Gastgeber rasch begreiflich zu machen, daß ich nur zufällig mit den Dolmetschern reiste und für mein Unterkommen selbstverständlich aufkommen würde. Unsere Gastfreunde waren aber Mongolen und dachten nicht an Widerstand den Chinesen gegenüber. Mein Zeltherr wurde im Gegenteil zum Schluß recht lästig, weil er ohne Unterlaß mich anbettelte und sich mit großer Beredsamkeit als den ärmsten Teufel der ganzen Welt hinzustellen trachtete.

4. November. Am Morgen blieb es lange unentschieden, ob die Dolmetscher weiterreisen würden oder nicht; sie fanden einen Streit zum Schlichten und hofften auf größeren Verdienst. Wann sie weiterzögen, war nicht abzusehen. Ich beschloß daher um Mittag, allein mit meinen Leuten nach Dankar zu reiten.

Als wir sattelten, traten zwei junge Tibeter auf mich zu und baten, ihnen das zuletzt gekaufte Pferd abzugeben oder, wenn ich es nicht verkaufen wolle, wenigstens die eine oder andere ihrer Monturen dagegen zu tauschen'). Erstaunt über das sonderbare Angebot verlangte ich Aufschluß und brachte eine lange Diebsgeschichte heraus. Das junge Tierchen war vor Monaten bei dem Gan ts`aTibeterstamm 2) im Norden des Kuku nor gestohlen worden, und der Dieb hatte es an die Wanschdäch`-Tschabtsa verschärft. So war das Pferd an den Ts`ien hu und endlich durch Vermittlung des Ts`ien hu an Schü verschoben worden, der es wiederum mir in Dulan se verkauft hatte. Der frühere Besitzer von Gan ts`a hatte den einen der beiden jungen Tibeter vom Stamme der Rengan, die unfern von den Hartschiu ihre Weideplätze haben, des Diebstahls bezichtigt und auf die Wahrheit seiner Bezichtigung zwanzig Yakrinder gesetzt. Der junge Rengan mußte nun wegen seines Ansehens beim Stamme entweder einen anderen als wirklichen Dieb ausweisen und dem Gan ts`a den Gaul verschaffen oder ein Gottesurteil über sich ergehen lassen 3).

Als ich nicht sogleich auf den Handel eingehen wollte, machte er ein recht bekümmertes Gesicht. Er wird nun gleichfalls zwanzig Rinder stellen müssen.

 
  1.  Es war ein sogen. „sehen ma ", ein Gott gefälliges Pferd, es hatte bis auf die Erde herabhängende Mähnenhaare, die zu dicken verfilzten Zöpfen sich zusammengeringelt hatten. Solche Pferde dürfen nie von Frauen geritten werden ; sie gelten

am ganzen Kuku nor für viel zu gut dafür und werden meist hohen Lamen zum Geschenk gemacht.

  1.  Gan ts`a unter einem Ts`ien hu, etwa 1000 Zelte stark, ist einer der acht tibetischen Unterstämme der Banag kak oder Baner d. h. der tibetischen Kuku nor-Zeltleute.

  2.  Ein alter, bei Tibetern wie Mongolen zum Gesetz gewordener Gebrauch, um verwickelte Prozesse zu schlichten.

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