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0106 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 106 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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Wir hatten eine alte, breit ausgetretene Yakstraße als Weg. Von der

Dábassu-Pfanne lief diese über einen 3750 m hohen Paß im Süd-Kuku nor-Gebirge, um dann immer geradeaus, nur 1-2 km vom Seeufer entfernt, dem

chinesischen Grenzmarkt Dankar zuzusteuern.

Flach und sandig sind die Ufer des großen Binnenmeeres im ganzen Süden. Nirgends steigen Felsen aus ihm heraus. Es ist eine weite, mit Wasser erfüllte Talebene, wie — nach den Muschelresten zu schließen — die benachbarte Tala es war, ehe der Hoang ho sie in ihrem Osten entwässerte. Der See wird wohl

nirgends eine größere Tiefe als etwa 100 m erreichen.

Viele kleine Bäche fließen ihm zu; hundertundacht, so viel wie ihr Rosenkranz Perlen hat, wissen die Tibeter aufzuzählen. Alle hatten bereits dicke Eiskrusten und legten uns damit Hindernisse in den Weg. Viele strecken Deltas in den See hinein und bauen kleine Lagunen. Von Nordwesten mündet der größte Zufluß, der Bukhain gol, der mit seinen Sedimenten eine gewaltige, 25 km weit in das Oval des Sees hineinspringende Halbinsel angeschwemmt hat. Aus weiter Ferne, von den Höhen des Süd-Kuku nor- Gebirges herab, läßt eine Verfärbung des Wassers vor dieser Halbinsel noch ausgedehnte Untiefen erkennen.

22 km vom südlichen Ufer entfernt tanzt wie ein Kahn auf den blauen, nie ruhenden Fluten das Ts`o Hing 1), die heilige Insel, auf der die Akkas leben und beten, die nur im Winter, wenn der See zugefroren ist, mit der übrigen Welt in Verbindung kommen. Es ist ein felsig aufsteigendes Eiland mit Hügeln, die von Grasweiden bedeckt sind. In der klaren Winterluft schien die Insel ganz nahe zu sein und ich glaubte von meiner Straße aus alles darauf erkennen zu müssen. Sie soll 8 Li Umfang haben.

9 km vom Südufer des Sees und 18 km westlich von der großen Insel Ts`o Hing ragen noch weitere Felskuppen über die Seefläche heraus. Sie haben weiße Farbe und werden von den Mongolen Tsaghan khada genannt. Dort ist der Felsblock, von dem die Sage geht, daß damit ein böser Geist namens Tscheger sämo nach Ts`o hing geworfen habe, um die Insel wieder zu vernichten oder wenigstens von der Stelle zu rücken.

Es war — erzählt man — um die Zeit, als man in Lhasa umsonst versuchte, Tempel und Klöster zu errichten. Immer wieder stürzten dort die Gebäude in sich zusammen und in alle Welt hatte der tibetische König deshalb seine Vasallen geschickt, um die Ursache dieses Unglücks ausfindig zu machen. Ein ausgesandter Lama traf in der Ebene, die heute der Kuku nor bedeckt, einen blinden, alten Heiligen, der in greisenhafter Schwatzhaftigkeit erzählte, dort, wo der König seine Tempel errichten wolle, liege ein großer unterirdischer See. Dieser werde, sobald ein Abgesandter des Königs davon erfahre, von Lhasa hierher fließen. Kaum war das Geheimnis ausgesprochen, so hörten sie beide schon das Tosen des Wassers und mit knapper Not konnte sich der Sendling des Königs auf seinem Pferde noch retten, während der Greis von den Fluten verschlungen wurde. Das Wasser hätte auch alle Berge überschwemmt, wenn nicht eine Gottheit Erbarmen gefühlt, ein großes Felsstück genommen und damit das Loch, aus dem das Wasser herausquoll, verschlossen hätte. Dieses Felsstück ist die heilige Insel Ts`o Hing. Den bösen Titanen aber ärgerte es,

1) Mongolisch: Kuisu (Nabel), oder nach Meng gu yu mu dyi: Khuisun tolkhä. Die

Dankar-Chinesen nennen diese Insel Hai sin schan und erklären dies als Berg im Herzen des Sees.

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