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0111 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 111 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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„Welches ist das Meer, aus dem je befreit zu werden, so sehr schwer ist?”

„Der Kreislauf der Wiedergeburt in den drei Welten ist's, in deren grober Leidensflut wir umhergeworfen werden."

[Ausspruch des bLobzang sKalbzang, des siebten Dalai Lama (1708-1758) bei einer

Prüfung.)

XIII.

Neue Fahrt.

Sie wollen in Tibet gewesen sein ! Waren Sie denn in Lhasa ? Haben Sie dort Sven Hedin getroffen? — oder haben Sie wenigstens den Dalai Lama gesehen?" Diese drei Dinge sind es, die im allgemeinen die Gebildeten in Deutschland von einem, der in Tibet war, wissen wollen.

Zu meinem Glück also war ich überfallen und gezwungen worden, wieder nach Hsi Hing zurückzukehren. Ich habe dadurch wenigstens eine der drei Hauptsachen Tibets, den Dalai Lama, zu Gesicht bekommen.

Es war Ende November, als ich nach Lan tschou fu hinabritt, um mir von dort Reserveinstrumente und vor allem Silber zu holen. Die Europäerkolonie hatte sich in jener Stadt mittlerweile erstaunlich vermehrt; einschließlich Kinder waren wir zehn Köpfe stark. Belgische Mineningenieure und Chemiker sowie ein Professor der Textilkunde waren eben durch Vermittlung von Paul Splingaert, des einstigen Dolmetschers von F. v. Richthofen, aus Europa angekommen. Auch wurden die Ingenieure der deutschen Firma erwartet, die an Stelle der alten Schiffbrücke, dieses zentralasiatischen Weltwunders, einen eisernen Steg zu setzen hatten. Ein leises Ahnen einer neuen Ära war jetzt bis in die Hauptstadt von Kan su gedrungen. Ja, man hatte sogar wenige Wochen vor meiner Ankunft Straßenlaternen, die Salatöllämpchen von Lao ho kou, aufgestellt, die hinter matten Papierscheiben gerade so viel Licht verbreiteten, daß man bei Nacht noch den Pfahl, der sie trug, erkennen konnte. Bei Tage stand neben ihnen ein uniformierter Schutzmann. Diese Polizei war gleichfalls eine neue Errungenschaft.

Last not least hatte man eine Schule für europäische Realien und Sprachen eingerichtet — die liebenswürdigen englischen Missionare nannten diese bereits Universität. Zwei Japaner waren soeben als Lehrer angestellt worden. Ehe ich die Stadt betrat, berichtete mir schon einer der Schüler, ein fünfundzwanzigjähriger Mann, daß man neuerdings in Lan, tschou fu uralte chinesische Wissenschaften, die lange Zeit vernachlässigt worden seien, aus der Rumpelkammer ausgekramt habe; auch die Chinesen würden jetzt wieder mehr Mathematik und Ingenieurwissenschaften treiben, die sie vor einigen Jahrhunderten uns Europäern mitgeteilt hätten. Wir Europäer hätten diese weiter gepflegt. Die Chinesen dagegen hätten sie wegen der Mandschu etwas in Vergessenheit geraten lassen. „In Lan tschou fu," rief er wieder und wieder, „gibt es jetzt einen Wald von Schulen und Hochschulen."

Sowie meine finanziellen Geschäfte geordnet waren, befand ich mich wieder

unterwegs nach Hsi Hing fu. Im oberen Teil des Hsi ning ho-Tales war die Straße in einer ganz vorzüglichen Verfassung. Alle Löcher waren ausgefüllt

worden und kein Steinchen lag im Weg. Dies war alles für den Dalai Lama geschehen, als er von Urga kam. Da es seit Monaten nicht mehr einen Tropfen

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