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0112 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 112 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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geregnet hatte, war die Straße noch in demselben guten Zustand. Außer den Steinen hatte man noch eine Menge Tempeltore, die Götterbilder, Lokalgötzen und chinesische Heroen enthielten, weggeräumt, ja an der oberen der beiden „Chia" des Hsi Hinger Tales, d. h. in der Felsenge 25 Li unterhalb der Stadt, war eine viele Jahrhunderte alte, ungemein starke Befestigungsmauer, welche die Straße sperrte, dem hohen Heiligen zuliebe abgerissen worden.

Die Bevölkerung trat ich jedoch auf der ganzen Reise in Wut auf den Dalai Lama. Die Anmaßung seiner tibetischen Reiter hatte keine Grenzen gekannt. Einen chinesischen Tortempel, der nicht rasch genug gefallen war, batten die Tibeter kurzerhand samt den Göttern angezündet, und den Hsien der Stadt Niembe, der in seiner Amtstracht den Tibetern entgegengekommen war, hatten sie deshalb überritten und mit ihren Reitstöcken verprügelt. Auch in Lan tschou war die Bevölkerung keineswegs entzückt von dem Heiligen. Daß der Fan tse, der Dalai Lama, der immer in einer Reitersänfte reiste — d. h. in einer Sänfte, deren Tragstangen vorn und hinten je vier Reiter trugen — nicht einmal ausstieg, um den Gruß und Ko tou des Tsung tu, des Generalgouverneurs von Schen si und Kan su, entgegenzunehmen, war für die Chinesen überaus bitter. In Hsi ning fu angekommen, wohnte der Dalai Lama in einem Zeltlager im Osten vor der Vorstadt und antwortete auf die Einladung des Amban, in seinem Ya men zu wohnen, der Amban solle erst die Stadttore niederreißen, er könne sich doch nicht der Demütigung unterwerfen und sich „unten" durchtragen lassen. Für die asiatischen Kaiser und für jeden Sohn des Himmels gibt es nur ein „oben drüber", nie ein „unten durch". So hat man, als Kaiser Kuang sü im Jahre 1900 nach seiner Flucht aus Peking in die Stadt Hsi ngan fu einzog, eine kunstvolle Rampe über die gigantische Stadtmauer gebaut und ihn und seine Tante, die empress dowager, in ihren Sänften darüber hinweg in die Stadt getragen. Denn die Tor- und Lokalheroen, die in den Stadttoren ihre Sitze haben, durften keinen Augenblick über Seiner Majestät, dem Sohn des Himmels, thronen. Zwischen den Himmelssohn, den Kaiser, und den Himmel durfte nie jemand treten. Ein Kaiser von China ist selbst ein Gott und der höchste Gott im Lande. Er ist Gott der Götter. Er kann bekanntlich Götter machen, er kann einen Gott genehmigen oder auch absetzen. Er untersteht nur dem Himmel. Der Dalai Lama behauptet etwas ganz Ähnliches von sich und verlangt darum auch für seine Person die gleiche Berücksichtigung.

Nachdem ich von Lan tschou fu nach Hsi Hing fu zurückgekehrt war, war ich während mehrerer Wochen damit beschäftigt, meine neue Karawane zusammenzustellen. Nur zwischendurch ritt ich zu dem Kloster Gum bum, um mir eine Audienz beim Großlama zu erwirken.

Über den heiligen Mann schwirrten durch Stadt und Land auch fernerhin schlimme Gerüchte. Die Chinesen blieben gleich den Mongolen Ts`aidams bei der Behauptung, daß sein Lebenswandel in moralischer Beziehung mehrfach zu wünschen übrig lasse, und man sagte ihm nicht bloß eine Liebschaft nach. Die Offiziere und der Landrat der Stadt klagten mir bei einem Essen, das ich — nebenbei gesagt — in dem von der Stadt errichteten Ehrentempel Tung fu hsiang's, des Geächteten von Peking, gab, die Arroganz und Habsucht des Lama seren himmelschreiend, der Unterhalt des Heiligen bringe sie noch an den Bettelstab. Obwohl die Suite nur aus hundertfünfzig Tibetern bestand, mußte die Stadt täglich dreihundert Schafe und ganze Wagenzüge voll Mehl, Reis und

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