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0113 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 113 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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Nudeln für die Pilger kostenlos stellen. Die Beamten waren gehalten, dem

Hohepriester jeden möglichen Wunsch zu gewähren. Die Bevölkerung jammerte,

das chinesische Heer nach der Niederwerfung der Mohammedanerrebellion sei

leichter zu erhalten gewesen. Viele tausend Kochgeschirre wurden durch den

Haien-Ya men bei den einheimischen Familien entlehnt, damit die müden

Reisenden bei ihrer endlichen Ankunft in Hsi Hing fu kochen könnten. Natür-

lich brauchten die Tibeter kein einziges davon. Wer aber seinen Familien-

kochtopf wieder haben wollte, mußte dafür mindestens die Hälfte seines Wertes

an die Angestellten des Ya mens bezahlen.

Der Dalai Lama war in Begleitung eines Spezialgesandten vom Pekinger

Hofe Ende Oktober bis zum Kloster Gum bum gereist. Von dort kehrte diese

besondere Ehreneskorte wieder nach Peking zurück, und der Amban, der Präfekt

und der Landrat verlegten ihre Wohnung wochenlang in das Kloster, um dem

Dalai Lama zu Diensten zu sein. Der Amban mußte jedoch zehn Tage lang

warten, bis er die Heiligkeit zum ersten Male von Angesicht zu Angesicht sah,

und zweimal hatte man ihm seine Geschenke mit dem Bemerken zurückgewiesen,

sie seien zu unansehnlich. Die Beamten schäumten vor Wut. Der chinesische

Stolz wurde aufs härteste getroffen. Dies wagte ein Fan tse, ein „Barbar", zu

bieten!

Auch noch nach vielen Wochen beschränkte sich der Verkehr des Ambans

mit dem Dalai Lama auf eine steife Audienz alle zwei Tage, während deren die

Heiligkeit auf einem Postament und neun Kissen saß und der zitterige Amban

nach einem dreimaligen Ko tou sich nach dem Befinden und den Wünschen

seines hohen Schützlings erkundigen durfte. Der Dalai Lama sagte die Ant-

wort seiner Umgebung, die sie ins Chinesische übersetzte. Eines ist sicher, die

Hsi ninger Beamten hätten den Dalai Lama am liebsten so rasch wie möglich

in die Steppen abgeschoben. Man nannte ihn den „ling gui" und bezeichnete

ihn damit als ein kluges, aber böses Irrlicht.

Um mir persönlich den Dalai Lama anzusehen, ritt ich, mit mancherlei

Geschenken gewappnet, an einem der vielen sonnigen Winternachmittage von der

Stadt Hsi Hing nach Lusar, nach dem Chinesen- und Mohammedanerdorf neben

dem Kloster Gum bum (s. Bd. I Abb. 14). Ich hatte niemand meine Absicht

Wissen lassen, denn wie ich später merkte, nahm ich mit vollem Recht an, daß

die chinesischen Mandarinen mir Hindernisse in den Weg legen würden. Um

möglichst wenig Aufhebens zu machen, hatte ich sogar nur ein en Diener mit

mir genommen. Die zurückgebliebenen Ma fu glaubten, ich sei in Dankar.

Ich kam in dunkler Nacht am Ziele an und fand Lusar wie Gum bum bis auf

das letzte Plätzchen mit Pilgern und Pilgerinnen überfüllt. Es kostete viel

Mühe, ein paar Zoll in einem Stall zu bekommen; wie Heringstonnen, nicht wie

menschliche Wohnungen, sahen die niederen Räume der Lehmhütten aus.

Am nächsten Morgen machte ich mit Hilfe eines mohammedanischen Händlers

die Bekanntschaft eines alten, dicken Mongolenlama. Unweit vom großen

Klostertore wohnte der schlau und fettig aussehende Priester in seinen ocker-

gelben bauchigen Kleidern in einem niederen holzgetäfelten Stübchen. Mit

buntfarbigen Papierscheibchen waren die Gitterfenster verklebt, die in den

kleinen, viereckigen Hof eines der einstöckigen Priesterhäuser sahen. Der Lama

war der Dolmetscher und Berater des Großlama im Verkehr mit mongolischen

und chinesischen Würdenträgern. Er schien der geeignete Mann, mir Eintritt

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