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0115 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 115 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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wurde festgesetzt, daß sie, um zum Dalai Lama zugelassen zu werden, Geschenke

im Wert von nicht weniger als 10 Tael abliefern müßten. Stammeshäuptlinge

und andere reiche Herren hatten Werte von mindestens 20 Tael abzuliefern.

Eine eigene Einschätzungskommission war zu diesem Zweck gebildet worden.

Das Leben des Dalai Lama in Gum bum verlief im übrigen sehr geregelt.

Es war ausgefüllt von Kulthandlungen. Gleich anderen gelehrten Lama las

er die meiste Zeit in den heiligen Büchern, und zu bestimmten Stunden erschien

er in der großen Gebetlesehalle, wohin er von dem Abtspalast auf dem Berge

inmitten eines stattlichen Zuges von Richtern und anderen Klosterwürden-

trägern und umgeben von Priestern mit brennenden Weihrauchkerzen stolz

und würdevoll zu Fuß hinabstieg.

Eines Nachmittags wurde ich in dem großen Tanzhofe Zeuge einer öffent-

lichen Diskussion und Prüfung. Während Hunderte, ja Tausende von Laien

und Mönchen über die Mauer und von den Dächern der nächsten Häuser aus

zusahen, hockten in dichten Reihen auf dem Pflaster des Hofes fünfhundert

junge Priester, ihren safrangelben Radmantel um die Schultern geworfen und

die hohen, safrangelben Raupenhüte auf dem Kopfe. In der gegen den Hof

offenen Säulenhalle daneben hockten drei hoffnungsvolle Studenten der

buddhistischen Theologie und rings um diese, in steifer, würdiger Haltung,

alte Lamas und Inkarnationen. Nur eine dunkelrote, mittelgroße Mönchsgestalt,

ein barhäuptiger Priester, mit goldgestickter Pulostoffweste, violettroter Toga

und gleichfarbigem Faltenrock schritt lebhaft hin und her und zitierte mit

schallender Stimme Texte und Exegesen und stellte Fragen an die scheu da-

sitzenden Kandidaten. Bei jedem Stichwort schlug er laut klatschend mit der

Rechten in seine eigene ausgestreckte Linke, daß es weithin durch die Tempel-

hallen schallte und auch mit den Füßen stampfte er, daß es dröhnte; denn

es ist alte lamaistische Lehre, daß durch das Händeklatschen die bösen Geister

der drei Welten zusammenschrecken müssen und daß durch das Stampfen

der Füße der Diskutierenden die Pforten der Hölle sich öffnen sollen. Gab

einer der Kandidaten eine falsche Antwort, so verfiel er sofort in einen ärger-

lichen Ton, hielt dem Nichtskönner den Mund zu, verspottete ihn, und einmal

schlug er gar zum Hohn mit seinem Bein ein Rad über dem Kopf eines der

Unglücklichen, so daß alle Zuschauer den Ernst vergaßen und hellauf hinaus-

lachten. Der lebhafte Examinator mit dem kleinen feingeschwungenen Schnurr-

bärtchen in der Mitte der hohen Priester war der Dalai Lama in höchst-

eigener Person.

Wer hätte sich nicht die größte lebende Inkarnation als götzenhafte, steife

Pagodenfigur vorgestellt, immer tief sinnend und mit rätselvollem, süßem Lächeln

auf den Lippen? Vor meinen Augen aber dozierte mit überraschender Lebendig-

keit der Gebärden und mit Kommandostimme ein alltäglich aussehender Lama-

priester, der, kurz nachdem ich unter den Zuschauern aufgetaucht war, gleich

den übrigen Lamas seine dunkeln Augen auf mich heftete und wie die anderen

Hunderte und aber Hunderte neugierig und lebhaft jede meiner Bewegungen

verfolgte, sich dadurch immer weiter und weiter von aller Großherrlichkeit ent-

kleidend.

Während der dreistündigen Diskussion waren unter der Menge der Zu-

schauer immer wieder einige tibetische Hirten zu sehen, die sich zu unzählbaren

Ko tou in der Richtung auf den Dalai Lama niederwarfen, so daß ihre Gesichter

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