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0118 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 118 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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natürlich echten Aussehens war Teramoto schon in allen großen Klöstern Tibets herumgekommen, hatte Lhasa von Ts aidam aus ohne besondere Schwierigkeiten erreicht, alle seine Heiligtümer gesehen und unbehelligt monatelang in seinen Klöstern gehaust. Wie gut kann doch die japanische Regierung durch solche opferwillige und tüchtige Forscher über alle Vorgänge im Innern Asiens

auf dem laufenden erhalten bleiben!

Während wenige Jahre früher der japanische Mönch Kawagutschi, der erste Japaner, der in Lhasa einige Zeit gelebt hat, vom Dalai Lama noch als Landesverräter behandelt worden war, als sein Inkognito als angeblicher chinesischer Arzt gelüftet ward, wurde jetzt Herr Teramoto vom gleichen Dalai Lama und seinen nächsten Ratgebern als Instruktor für alle nichtzentralasiatischen Verhältnisse verwendet, auch nachdem seine Nationalität allgemein bekannt geworden war. Da er es gleichzeitig verstand, sich mit den chinesischen Beamten gut zu stellen, indem er sich ganz ihren Sitten unterwarf, auch immer bereit-willigst bei ihren Trinkratespielen mittat, so wurde er sicher einer der besten Kenner dieser ganzen für uns Europäer noch so dunklen zentralasiatischen Welt. Jetzt wohnte er in Gum bum im Ökonomiegebäude Adya fo ye's, den die japanischen Buddhisten zwei Jahre früher zu sich nach Japan eingeladen hatten und der zurzeit noch in der Ostmongolei als Abt irgend eines Klosters abwesend war.

Als ich am Tage nach der öffentlichen Prüfung den Besuch heimgab und Teramoto in seiner hübschen und gemütlichen Priesterzelle aufsuchte, erfuhr ich, daß der Dalai Lama noch in derselben Nacht nach dem unbekannten Fremden, d. h. nach mir, hatte fragen lassen. Er hoffte, ich sei ein Bote irgend einer fremden Macht und hätte ihm eine Kunde zu überbringen, um Mittag schon erwartete man mich zu einer Audienz.

Ein Mönch aus Lhasa holte mich zur angesagten Zeit in meinem Gasthof ab und brachte mich insgeheim über den Berg und durch eine Seitenpforte in das Abtsgebäude. Vor dem großen, gelben Haupttor lungerten ein paar chinesische Milizsoldaten als Wachen herum. In der Stube des obersten Torhüters, eines Priesters, hatte ich eine kurze Weile zu warten, dann geleitete mich mein Lhasamann in das dahinterliegende Hauptgebäude und eine schmale steile Holzstiege hinauf. Eine kleine Türe wurde aufgerissen, um hinter mir sogleich wieder zugeschlagen zu werden. Mein Diener, der bis dahin mit mir gegangen war, mußte draußen bleiben. Ich befand mich in einem niederen und schmalen Saal, in dem ich zunächst nur viele, in dunkelroten und blauen Pulosto$ eingebundene Holzsäulen wahrnahm. Der Raum erhielt sein Licht durch einige Papierfenster und von einem Balkon, der einen weiten Blick über das Klostertal und alle Goldspitzen und Golddächer der Tempel gestattete.

Ein alter Lama tritt jetzt aus dem Säulenwald heraus und auf mich zu und führt mich weiter nach der Mitte des herzbeklemmend engen Raumes, und nun endlich entdecke ich zwischen den Säulen hindurch an der mit Heiligenbildern voll behangenen Rückwand einen lebhaft und interessiert sich vorbeugenden jungen Mann, der auf einem schmalen, meterhohen Podeste nach Buddhaweise hockt — ich stehe dicht vor dem Bodhisat, vor dem Priesterkönig der Tibeter und Mongolen, vor dem höchsten buddhistischen Heros, vor dem Millionen Menschen von den sibirischen Eiswüsten bis hinab in die heißen Ebenen Indiens gläubig ihre Kniee beugen! Wie viele Tausende von ihnen mögen mich um diesen Augenblick meines Lebens beneiden!

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