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0119 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 119 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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Ich war einer der ersten Europäer, die den Märchenkönig zu Gesicht bekommen haben, nicht nur für mich, auch für den Dalai Lama bildete darum die Begegnung ein außerordentliches Ereignis. Der Dalai Lama trug das rote, allgemein übliche Priestergewand, nur war es besonders gut ausgeführt und reich mit Gold bestickt. Seine weite, dicke Wollweste täuschte einen breiten Oberkörper vor, doch ist der Dalai Lama nur von mittlerer Körpergröße. Seine Arme waren bis zu den Schultern hinauf bloß, nur um das linke Handgelenk hatte er seinen einfachen Rosenkranz wie ein Armband geschlungen. Er trug natürlich keinerlei Schmuck. Die Haut seiner Arme und seines Gesichts erschien auffallend hellbrünett und blaß ; die Sonnenstrahlen treffen sie nur selten. Er trug einen ziemlich dichten und ausgedrehten Schnurrbart, obwohl er doch erst wenig über dreißig Jahre alt war. Seine Kopfhaare waren sicher einen halben Monat nicht mehr rasiert ; im Gesicht nahm ich Pockennarben wahr; Tobden Dalai Lama gehört keineswegs zu den nach unserem Geschmack schönen Tibetanern. Bei allen seinen Anhängern sind seine schwarzen Augenbrauen berühmt, die groß und schön geschwungen sein sollen, doch sind sie mir nicht als etwas so Besonderes in die Augen gefallen.

Während ich mich mit Verbeugungen näherte, setzte sich der Dalai Lama den gelben, spitzen Priesterhelm auf den Kopf, seine Lippen aber blieben stumm. Er fixierte mich und meinen europäischen schwarzen Rock ungemein scharf. Trotz der großen Neugier, die aus seinen Augen sprach, behielt sein Gesicht zunächst einen mürrischen, abweisend hochmütigen Ausdruck. Als ich den seidenen Khádar überreichte, den mir der Majordomus aus der Hand nahm, wurde ich von ihm nach meinem Befinden und nach meiner Mission und nach einem Schreiben meiner Regierung gefragt. Als ich ihm meine Freude ausgedrückt hatte, daß er mich durch eine Audienz ausgezeichnet habe, mußte ich natürlich auch sagen, daß ich keinerlei Schreiben hätte, ich sei ein Deutscher und nur zufällig des Weges gekommen. Der Dalai Lama fiel mir rasch ins Wort, daß ich ein Deutscher sei, wisse er längst, er kenne Deutschland, es liege dicht hinter dem Lande der Russen und dem der Engländer. Es wurden dann meine Geschenke von dem Mongolenlama herbeigebracht und neben den Sitz des Dalai Lama gestellt, und der Nirba Kampo, der Majordomus, überreichte mir einige Bündel tibetischer Weihrauchkerzen, zwei Stück Pulo (rote Wollstoffe aus Gyang tse, die in den Geschenken des Dalai Lama immer eine Rolle spielen), vor allem aber ein 31/4 m langes und 60 cm breites, weißes Seidenstück, in das tibetische Sprüche gewoben waren und das angeblich in Lhasa selbst hergestellt worden ist. Es war der Khádar des Dalai Lama; ich habe einen ähnlichen seither nicht mehr zu Gesicht bekommen. Auch wurde mir aufgetragen, wenn ich meinen „Fürsten" sehe, ihm den Gruß des Dalai Lama zu entbieten. Bei diesen Worten machte er einen überaus liebenswürdigen und redegewandten Eindruck. Mein eifriges Bemühen jedoch, im Anschluß an meinen Dank für den großen Khádar und für die Geschenke den Dalai Lama zu einer längeren politischen Unterredung zu bewegen, mißlang leider. Ich hörte nur allgemeine Phrasen, er freue sich, daß überall Frieden sei, und er hoffe, daß ich der Lehre Buddhas auch in den westlichen Ländern Gehör verschaffen werde. Ich konnte mich dabei nicht des Gefühls erwehren, daß er sich vor seiner eigenen Umgebung nicht sicher genug fühlte, um viel mehr zu sagen. Seine Worte, die er nur halblaut aussprach, wurden vom sMamba Kampo wiederholt. Meine chinesischen

 

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