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0122 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 122 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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am Abend in ihren Ställen versammelt, die Sperlinge stritten und putzten sich noch eine kurze Weile, schlüpften aber dann rasch an ihre Nachtplätze unter die Dächer. Völlige Ruhe herrschte in der Tierwelt, nur die Menschen mußten mit ihren kläglichen Musikinstrumenten wüten, bis es wieder hell geworden war und für die Spatzen und die Vierfüßler der neue Tag begann.

Ich warb für die neue Unternehmung sechs Begleiter an. Wiederum war das Angebot riesenhaft. Und mit allerlei Listen und Ränken hatte ich zu kämpfen, um nicht Leute zu bekommen, die überhaupt noch nie in der Steppe und in der Höhe droben gewesen waren. Die schon Angestellten wurden von den Kandidaten bestochen, bei mir für sie gut zu sprechen. In aller Eile lernten sie ein paar tibetische Brocken, um sagen zu können, sie verständen Tibetisch. Chinesen aber, die wirklich Tibetisch konnten, fand ich in Hsi Hing und Umgebung wieder nur sehr dünn gesät. Anderseits glückte es mir diesmal nicht, auch nur einen einzigen vertrauenswürdigen Tibeter in meine Dienste zu bekommen. Nach dem See Kuku nor hinauf waren sechs Tibeter bereit, mich zu begleiten, aber keinen Schritt weiter wollten diese gehen. Sie fürchteten die Gefahren viel mehr als die Chinesen. Von den alten Begleitern trat Da Tschang wieder in meine Dienste.

Er hatte mittlerweile wieder Hochzeit gemacht. Es war das vierte Mal, daß der noch nicht Dreißigjährige eine Frau genommen hatte. Stolz erzählte er, daß ihm noch keine Frau verstorben sei und er noch nie die großen Kosten einer Beerdigung habe bezahlen müssen. Er hatte das Glück, seine ersten Frauen stets loszuwerden, wenn er ihrer überdrüssig war. Dagegen jammerte er immer, wie teuer in Hsi hing das Heiraten sei, so viel teurer als drunten im eigentlichen China; für eine halbwegs hübsche Jungfrau müsse man in seiner Heimat schon 100 Tael (300 Mark) dranrücken. Chinesinnen sind in der Tat im Hsi ninger Tal sehr gesucht. Weil der Lebensunterhalt sehr billig ist, so haben alle Vermögenden mehrere Frauen und verringern dadurch noch mehr das Angebot. Von Mädchentötung erfuhr ich hier nie etwas, denn Mädchen aufzuziehen rentiert sich hier. Unverheiratete Mädchen von zwanzig Jahren kommen so gut wie nie vor. Nach einer Verheiratung sinkt jedoch die Frau in den Augen der Männer rasch im Wert.

Unter der Türe meines Gasthauses wurde ich eines Tages Zeuge eines für die niederen Volksklassen typischen Falles. Ein Bauer hatte einem Soldaten 20 Tael gepumpt und dieser hatte ihm dafür, weil er sonst nichts besaß, seine Frau verpfänden müssen. Jetzt brauchte der Soldat wiederum Geld, und der Bauer gab ihm 20 Tael mit der ausdrücklichen Bestimmung, daß ihm von nun an die Frau ganz zu eigen gehöre und der Soldat alle Rechte an seine Frau verloren habe. Auch nahm der Bauer noch das Kind an sich, das der Soldat von der Frau hatte, weil er schon viel zu viel Geld gegeben habe. Hsi Hing als Garnisonstadt an der Grenze mag vielleicht besonders schlimme Zustände zeigen. So kommt z. B. hier auch Frauenumtausch, kurz alles vor, was man sich an Freiheiten von seiten des Mannes ausdenken kann. Alles geschieht immer ohne langes Befragen des weiblichen Teils.

Eines Abends brachte mir ein Bauer zwei Maultiere in den Hof, die er rasch verkaufen wollte und die schließlich recht billig in meinen Besitz übergingen. Die Eile, die der Bauer hatte, fiel auf, denn gerade beim Verkaufen hat man in Hsi Hing stets sehr viel Zeit. Ich fragte daher den Roßkamm, der den Kauf

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