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0130 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 130 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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Obschon nirgends in der ganzen Tala und noch Tagereisen weiter südlich, abgesehen von den höchsten Bergspitzen über 4600 m, auch nur ein Fleckchen Schnee zu entdecken war, so hatten es die Tiere doch recht schlimm. Das braune Wintergras ist ein karges Futter für Mäuler, die, wie die meinen, nach einer nur kurzen Kraftfuttermast tagtäglich auf Wegen, die doch kaum diesen Namen verdienen, über die höchsten Pässe und Felsklippen zu klettern haben. Nachts ketteten wir die Geplagten der Räuber wegen zu zwei und zwei in die eisernen Koppeln, deren Schlüssel ich in die Tasche steckte, und bei Tage blieben immer nur wenige Stunden zum Weiden übrig. Aber eines war wichtig und half mir zum Gelingen : nirgends fand sich ein Sumpf, nirgends der grundlose Schlamm an den Abhängen und in den Talebenen, der im Sommer in der dünnen Höhenluft die letzte Kraft aus allen Lebewesen herauspumpt, der das Herz zum Zerspringen schlagen läßt, wenn man sich durchrackert.

Spielend leicht ritten wir am 31. Januar über den Paß Tsassora (4550 m), an dem 1904 unsere Karawane um ein Haar den Untergang gefunden hätte. Am Nachmittage erlebten wir den ersten Schneesturm. Während desselben geriet ein Rudel wilder Yak bis auf wenige Schritte ans Lager. Es waren die ersten, die wir zu Gesicht bekamen, seit ich im Herbste die Tschang tang verlassen hatte. Obwohl wir seit Tschebts` a keine Zelte mehr zu Gesicht bekommen hatten, fanden sich in den tieferen Lagen auch keine Anzeichen für zeitweiliges Vorkommen der Tiere. Der Wildyak scheint mir in Osttibet nie unter 4000 m hinabzusteigen, und wo einmal der Mensch sich zu gewissen Zeiten ansiedelt, ist er nicht mehr zu treffen. Nur dort ist sein Revier, wo die Menschen selbst wie ein flüchtiges Wild durcheilen1).

Wir fanden hinter Tschabtscha täglich die Lagerplätze der Horkurma Tsung wa. Die Spuren wurden jeden Tag frischer. Wir rückten ihnen näher und näher auf. Aber noch eine andere große Karawane war vor uns. Manchmal hatte diese am selben Ort wie die Horkurma abgeladen. Die zweite Karawane war noch stärker und volkreicher. Wir schätzten sie nach der Zahl der Kochstellen auf siebzig Reiter und weit über ein halbes Tausend Tragochsen. Es war für uns kein Zweifel, diese große Karawane waren die heimkehrenden K`am-Leute, die, wie alle Jahre, im Oktober zuvor aus dem Yang tse-Tal herübergekommen waren und — wie wir gehört hatten — an Weihnachten wieder Dankar verlassen hatten. Am 2. Februar stießen wir auf ein junges Úchslein, das die Karawane verloren hatte und das einsam am Wege neben einem großen Lagerplatz graste. Es schien wieder ganz erholt zu sein und war sehr munter, trotzdem es deutliche Zeichen eines erbitterten Kampfes mit Wölfen aufwies. Tiefe Bißwunden waren an den Hacken zu sehen und an dem einen Horn klebte Blut und ein großes Büschel gelblicher Wolfshaare. Ohne ein Wort wurde der Yak gebunden und von den Mohammedanern geschächtet. Alle hatten wir den gleichen, großen Fleischhunger; die paar Hasen und Hühner, die ich zur Strecke brachte, reichten nie aus. Es war aber ein böses Geschick, das uns diesen Ochsen über den Weg schickte. Sah auch das Fleisch nicht krank aus, so wirkte doch sein Genuß verderblich. Drei von uns mußten am nächsten Tage auf die Pferde gehoben und oben festgebunden werden, hatten hohes Fieber und

1) Die Grenze der Verbreitung des Wildyak fällt ungefähr mit der Linie zusammen, die ich auf meiner Übersichtskarte als Grenze des von Menschen bewohnten und des unbewohnbaren Gebiets in Hochtibet angegeben habe.

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