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0136 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 136 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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re tsro dschayu, wo einst Da Tschang überfallen worden war, vorbeizureiten. Die wenigsten von uns mochten noch reiten, alle fürchteten, auf den Pferden die Beine zu erfrieren. Hatte ich aber nur eine kurze Strecke zu Fuß zurückgelegt, so wähnte ich, die Brust wolle mir springen und krampfartig gähnend rang ich nach Atem, während ich mühsam in den klumpsig weiten Mongolen-

stiefeln weiterschlurfte.

Über einen flachen und niederen Paß kamen wir am folgenden Tage in die weite rDo tschü-Steppe, in der der Weststurm Staubtrombe hinter Straubtrombe herjagte. Wir waren jetzt in Gegenden gekommen, die unmittelbar in den obersten Hoang ho abwässern. Auch diese Talebene bildet zur Sommerszeit einen unbegehbaren Sumpf, auf den sich höchstens leichtfüßige Antilopenrudel hinauswagen können, jetzt aber war er zur staubigen Wüste, zur Treibsandbüchse umgewandelt. Am ersten Grasfleck, den wir fanden, wurde Lager geschlagen. Bis aber abgeladen war, war der Tag entschwunden. Um ein Haar wäre mir damals mein Dankar-Mann Li erfroren. Sein Gesicht war dick aufgedunsen, kalt, gefühllos und wachsfarben wie das eines Toten. Er konnte nicht mehr gehen und nicht mehr sprechen. Wie einen Mehlsack luden wir ihn mit vereinten Kräften auf ein Pony und schleppten ihn aus der schutzlosen Ebene. Durch Reiben brachten wir ihn im Lager wieder zum Leben und am Feuer taute er buchstäblich vollends auf, so daß er bald den heißen Tee eigenhändig an seine blauen Lippen führen konnte. Sonderbarerweise hatte er außer seiner Gesichtshaut nichts ernstlich erfroren. Auf seinem Gesicht aber konnte man noch nach Monaten die Spuren dieses Gewaltmarsches lesen.

5. Februar. Wie gewöhnlich waren wir um acht Uhr in der Frühe wieder unterwegs. Wir kamen sehr rasch vor wärts und überschritten am Morgen kurz nacheinander zwei kleine Pässe. Als die Pferde keuchend uns auf den zweiten getragen hatten, drangen plötzlich unsere Blicke nach Süden. Unsere erste Etappe, die rMa yung, die breite Grasebene des oberen Hoang ho, lag vor uns ausgebreitet als ein breiter, ganz flacher Taltrog, der quer über unsere Wegrichtung lief. Niedere Hügel, die man überall von den Talmulden aus zu Pferde erklimmen kann, lagen diesseits und jenseits dieser breiten Ebene, ein wildes Wirrsal bildend. Im Abstieg von dem kleinen Paß war ich vorausgeritten, um am Hoang ho die beste Übergangsstelle ausfindig zu machen. Da sprengt plötzlich „Sechsunddreißig" auf ausgepumptem Pferd zu mir: „Die Leute mit den Lasttieren haben halt gemacht. Menschen mit brennenden Luntenflinten müssen ganz nahe sein." Der unverkennbare Geruch von brennenden Lunten war ihnen in die Nase gestiegen. Ein Blick über den nächstgelegenen Hügel belehrte mich, daß wir in der Tat Menschen in allernächster Nähe hatten. Wir waren ganz unversehens mitten in das Winterlager eines volkreichen Nomadenstammes geraten. Nur das Tälchen, dem entlang der Verkehrsweg von Dankar nach Kram läuft, war leer und unbesiedelt geblieben, wahrscheinlich um die Herden nicht der Gefahr auszusetzen, mit fremden Tieren und deren Krankheiten zusammen zu geraten.

Rasch zog ich meine Perücke mit dem lang baumelnden Zopf aus der Satteltasche, drückte die Pelzmütze darüber und band mir wie an den kältesten Tagen mein rotes Turbantuch um das Gesicht, um nach Möglichkeit den keimenden blonden Bart zu verdecken. Kaum war dann die Karawane aufgerückt, als schon Späher auf uns zuritten und nach „Woher?" und „Wohin?" fragten.

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