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0139 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 139 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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werfung rentierte sich also nicht. Ja, eine ernstliche Unterwerfung dürfte bei der Kriegstüchtigkeit der Eingeborenen und bei der Rauheit der Natur des Landes noch lange eine sehr riskante Sache bleiben, der nicht bloß das ancien régime, sondern auch Jungchina solange wie möglich aus dem Wege gehen wird. Die ngGolokh werden noch lange frei leben und sich um den Willen sowohl der Chinesen wie des Dalai Lama einen Deut kümmern können.

Ich blieb zwei Tage in diesem Lager. Es war die erste Ruhepause seit dem Verlassen von Tschabtscha. Wir waren vollauf beschäftigt mit dem Aufbessern der Sättel und Geschirre. Zehn Tage hatten wir nur bedurft, um mit all den Packtieren von Dankar bis an den Hoang ho zu reiten und die Tiere waren noch alle munter. Obwohl die Nährkraft des abgestorbenen Wintergrases äußerst gering ist, blieben mir Verluste erspart, weil die Tiere vorher von mir gemästet worden waren und dann ohne übergroße Anstrengungen über die gefrorenen Sumpfebenen hinwegkamen. Wir hatten außerdem bis hierher täglich etwa zwei Pfund geschrotete Erbsen gefüttert. Hier am Hoang ho gelang es, in den Zelten so viel trockenen Quarkkäse zu kaufen, daß ich noch mit über zweieinhalb Zentnern, d. h. zwei ganzen Lasten, weiterreiten konnte. Der Käse wurde mit den Erbsen zu gleichen Teilen gemischt und so von den Pferden und Maultieren fast ohne Ausnahme gerne angenommen.

In der Nacht bekam Frau Lobzang Dandu dschumo einen Sohn. Sie machte es außerhalb des Zeltes, im Zickchenstall, ab, wo zwar kein Dach, aber eine niedere Schutzwand aus Erdschollen und gefrorenen Kuhfladen die allerschlimmsten Windstöße abschwächte. Es wäre im Zelt einige Grade wärmer gewesen, aber aus religiösen Vorurteilen vermeiden es die Nomadenweiber, im Küchenraum ihre schwere Stunde zu verbringen. Die ganze Nacht betete der Ehemann mit einigen Lama im Inneren des Zeltes unter Pauken-, Trommel-und Trompetenbegleitung 1). In dieser Nacht ging die Temperatur im Freien auf — 32 ° herunter. Am anderen Morgen mieden alle Nachbarn die Stätte, weil sie durch die Geburt unrein geworden sein soll. Der Familienvater kam sofort aus dem Zelt heraus und warnte alle Kommenden vor dem Betreten seines Hauses. Ich durfte aber, als ich ein Geschenk brachte, den Sohn im Zickchenstall mir ansehen. Die Mutter war schon wieder am Zeltherd tätig. Der Neugeborene aber war in der Obhut einer älteren Dame, die ihn unter ihrem Pelzmantel an ihrem Körper warm hielt. Infolgedessen bemerkte ich auf seinem Körper schon einige Läuschen, von denen ich eines sittsam fing und behutsam neben mich auf den Boden setzte, denn auch die ngGolokh sind fromm und wollen, daß keinem Lebewesen ein Leid geschehe. Das Nabelschnurende des Jungen war nur umgekrempelt, nicht abgebunden. Er war über und über mit Butter beschmiert. Gewaschen werden solche Kinder überhaupt nicht, was bei der herrschenden Kälte eigentlich selbstverständlich ist. Es ist eine Hauptsorge der Mütter, daß ihre Babys wie die jungen Hunde nicht naß werden. Bei den nach unseren Begriffen unzureichenden Behausungen haben die Tibeter jedenfalls auch richtig beobachtet , daß das Wasser nur schaden kann. Tücher zum Abtrocknen kennt man j a nicht. Jeder Stoffetzen ist dort oben zu kostbar, um zu solch profanen Zwecken verwendet zu werden.

1) Die Placenta wird abseits von den Zelten und möglichst bei Nacht zu einer von einem Lama berechneten Zeit begraben.

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