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0140 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 140 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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Wasserbecken zum Waschen und gar Schwämme sind nicht einmal dem Namen nach bekannt. Wenn die Säuglinge älter sind, kommen sie in einen Ledersack aus einer Kitzhaut, in dem sich trockener Schafdung befindet, der wie Torfmull wirkt, so daß die kleinen Menschen immer trocken liegen.

Um die luftigen Zelte bauen die tibetischen Frauen im Winter meterhohe Mauern aus Kuhdung, die auf drei Seiten gegen den Wind schützen sollen. Nur der Osten bleibt frei. Diese Wälle und Windschirme sind für uns das einzige, was die Nomadenbehausung einigermaßen erträglich macht. Neben den großen

Herdresten bezeichnen sie noch nach Jahren die alten Lagerplätze.

In Horkurma fiel mir die Körpergröße der Männer wie der Frauen auf. 1,7 m, ja 1,75 m war unter den Männern gar nichts so Besonderes. Es waren knochige, kräftige Gestalten und eine ganze Anzahl hatte mächtige, dicke Adlernasen. Der Kopf wurde rasiert oder nur kurz geschnittenes Haar getragen. Es ist dies die übliche, wenn auch nicht ausschließliche Haartracht der ngGolokh, die dadurch oft andeuten wollen, daß sie freie Männer sind. „Wir sind freie Menschen und jeder von uns kommt als kluger Mann und mit dem Gewehr in der Hand zur Welt," ist die ständige Redensart der ngGolokh. Kein anderes Volk in Zentralasien fand ich gleichermaßen stolz und kriegerisch. Fragt man, warum sie so mutig seien, so wird die Sage erzählt, daß im ngGolokh-Lande einst König Gesar sein Wunderschwert verloren habe, das seither noch dort heilig gehalten werde und von seinem Zauber nichts eingebüßt habe, auch daß ihr Ortsheiliger, der Berggott vom Eisgipfel Amne Matschen, sie behüte und zu Taten anfeuere.

Das Lager des Oberhäuptlings war eine gute Reitstunde von dem meinigen entfernt. Es bestand aus einer Gruppe von Zelten riesiger Ausmessung, lauter Yakhaarzelten. Das eine konnte weit über hundert Personen fassen und das, in dem ich den wegen seiner großen Nase meist unter dem Namen Nawodyi bekannten Herrn selbst fand, war bei 8 m Breite 25 m lang. Der Häuptling war ein Fünfziger, mit sehr klugen braunen Augen und einem stolzen, nie zu überwindenden Mundwerk. Seine Familie soll schon seit vielen Generationen die Führung in Händen haben. An Schafen, Yak und Pferden ist Nawodyi bei weitem der reichste Mann seines Volkes. Mit seinem Bruder zusammen führt er ein sehr strenges Regiment über seine schwer zu lenkenden Untertanen. Jeder Diebstahl an den eigenen Stammesgenossen wird von ihm strenge geahndet. Ausstechen eines Auges, Durchschneiden der Knie- oder der Achillessehne, Fingerabhacken sind Strafen, die er über Untertanen verhängen kann, die am eigenen Stamme freveln. Haben seine Leute dagegen Fremde, gar eine Lhasa-Karawane überfallen und geplündert, so erhält er, auch wenn er gar nicht der Führer war und gar nichts von dem Anschlage wußte, einen Teil der Beute

ausgehändigt.

Von dem Zelte des Lobzang bis zum Ma tschü-Hoang ho r) brauchten wir wenig über eine halbe Stunde. So weit mußten aber auch die tibetischen Frauen gehen, um Wasser oder Eis zum Kochen heimzuschleppen. Der Übergang über

       
       
       
       
             
       

1) Ma tschü, der tibetische Name des Hoang ho, nach Jäschke und nach Ch. Das, Tibetan-Engl. diet., orthographisch „rma" geschrieben, bedeutet wahrscheinlich „Fluß der guten und glücklichen Weiden"; der Name nimmt hiernach Bezug auf die schönen

Weiden, die von Horkurma an durch das ganze ngGolokh-Land bis Kue de an seinen Ufern sich hinziehen.

     

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