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Meine Tibetreise : vol.2 |
den Fluß machte keine weiteren Schwierigkeiten. Die Ufer sind überall flach
und der Fluß war in einer Breite von 300 m gefroren (Tafel XVII). Da
keinerlei Schnee auf dem Eise lag, so glitten die Tiere aus, konnten aber, nach-
dem wir einen Weg mit Sand bestreut hatten, doch mit den Lasten auf dem
Rücken ans jenseitige Ufer gelangen. Jenseits ging der Marsch zwischen nie-
deren, grasbedeckten Hügeln hindurch an zwei Seen vorbei, die die Ebenen
zwischen den Hügeln ausfüllten. Durch Geröllmassen aufgestaut, standen sie
mit dem Hoang ho nur durch ein Überreich in Verbindung. Um Mittag wurde
es nebelig, der Wind ließ nach und bald darauf begann es zu schneien. Mitten in
diesem Schneegestöber stießen wir auf eine riesige Yakkarawane. Ein Seitental
herab trottete alle paar hundert Meter ein dreißigköpfiger Yakhaufen, den zwei
oder drei Bursche antrieben. Es waren die K`am-Leute, die aus Hsi Hing in ihre
Heimat zurückkehrten. Sie hatten zwei Wochen bei den Horkurma gerastet und
waren seit heute morgen auf dem Weitermarsch. Einen Teil der Leute hatte ich
schon in Dankar und Hsi ning kennen gelernt. An einen ihrer Führer, an den
Häuptling, den Be hu, von Tschendu, hatte ich mir ein Empfehlungsschreiben
aus dem Amban-Ya men mitgeben lassen. Jetzt war dieser Be hu den Yakochsen
weit vorausgeritten. Bis wir ihn einholten, hatte er halt gemacht. Zwei Pferde-
knechte, die mit ihm geritten waren, hatten bereits die Pferde versorgt, sie
gekoppelt und unter dem Sattel an langen Wollstricken grasen lassen. Der
Be hu Bon aber war damit beschäftigt, ein Dungfeuer in Gang zu bringen und
sich eine Tasse Tee zu kochen. Er war ein breitschultriger kräftiger Vierziger,
1,65 hoch, der mich mit lächelnder Miene begrüßte und mit vielen Worten zum
Sitzen einlud, obwohl er mich ganz bestimmt zu allen Teufeln wünschte. Mein
Tschang breitete mir einen Ning hsia-Teppich in dem Schnee aus und ich hockte
mich mit gekreuzten Beinen ans Feuer neben den kleinen Tibeterfürsten, auf
dessen nackter Brust fünf tiefe Moxennarben von einem unlängst überstandenen
Rheumatismus erzählten. Als ich den „Komo", den Fellsack mit der eisernen
Röhre am einen Ende, der als Blasebalg verwendet wird, in die Hand nahm
und wie ganz selbstverständlich das Feuer damit in Glut blies, wurde der Be hu
sichtlich zutraulicher. Wir unterhielten uns über den bösen Weg, den wir beide
machen müßten, über die Gefahren, über die Räuber, die so zahlreich auf jeden
Reisenden lauern. Schließlich meinte er, da ich einen Tung sche (Dolmetscher)
vom Amban und einen Paß mit dem kaiserlichen Stempel habe, da wir uns beide
nun bei den freien ngGolokh getroffen hätten, so wollten wir einander nichts
anhaben, sondern Freunde werden, gemeinschaftlich weiterziehen und im Falle
der Not einander aushelfen. Vor allem schien ihm das Dutzend Repetiergewehre
und Handfeuerwaffen, das ich besaß, eine ganz erwünschte Verstärkung und
eine Garantie zu sein, um seine Habe sicher über die Tschang tang zu bringen.
Mittlerweile waren die ersten Trupps Yak eingetroffen. Mit ihren lauten,
lustigen Rufen stürzten sich die Treiber an die Arbeit und hoben im Takte
eines einfachen Liedes die einen halben bis dreiviertel Zentner schweren Halb-
lasten von den Sätteln. Sie bestanden hauptsächlich aus den trockenen chinesi-
schen Hängenudeln (goa mien), auch aus gelblichem Ning hsia-Reis, aus Stoffen
und eisernen Kochkesseln. Tee kommt in das südliche und zentrale Tibet nie
über Kan su. Mit den in Lan tschou fu und Hsi ngan fu gepreßten Teeziegeln
wird nur der Kuku nor und Turkistan versorgt. Aus den Lasten bauten sie in
einem großen Kreis in Abständen von 50-100 m kleine Mauern. Diese standen
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