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0147 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 147 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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Unweit von unserem ersten gemeinschaftlichen Lagerplatz standen noch einige spärliche Gruppen von Horkurma-Zelten. Da Tschang erkannte in dem einen der Familienväter im Vorbeireiten einen alten Bekannten aus den Tagen, als er nach seiner Beraubung am Dung re ts`o dschayu nach Horkurma geirrt war und bettelarm beim Häuptling für die Kost die Schafe hütete. Ich gab ihm den Auftrag, den Alten in seinem Heim aufzusuchen und mir noch einige Schafe zu erstehen. Aber dieses Mal durfte er das Zelt seines Bekannten nicht betreten, da dieser erst ganz kurz vorher, als er auf dem linken Hoang ho-Ufer wohnte, seinen Sohn verloren hatte. Nach der Aussetzung (Tafel LIX) der nackten Leiche war die Familie mit ihren Verwandten rasch mit Herden und Zelten und einigen Lama auf das rechte Hoang ho-Ufer übergesiedelt. Die Lama waren noch damit beschäftigt, Beschwörungsmessen für oder gegen den Geist des Toten zu lesen und deshalb wollten die geängstigten Leute keinem Chinesen oder Fremden Zutritt gewähren. Wir konnten auch in den Nachbarzelten unseren Fleischvorrat nicht vermehren, weil es Verwandte waren. Solange gebetet wird , wollten alle Angehörigen weder für sich ein Tier schlachten, noch etwas verkaufen oder vertauschen.

Wegen der Nähe dieser Zelte fürchteten die Tschendu-Leute noch nichts für die Nacht; sie öffneten Branntweinfäßchen, die sie von Dankar mitgebracht hatten, und feierten ein festliches Gelage. Freilich, vor kleineren Diebereien waren sie auch hier nicht sicher, denn erst die Nacht zuvor, als sie noch neben dem Zelt des Horkurma-Oberhäuptlings lagen, war dem Be hu ein Pferdchen gestohlen worden, das ihm allerdings sein guter Freund, der „Humbo" von Horkurma, sofort wieder ersetzt hatte. Die Macht der Stammeshäupter reicht bei den Nomaden selten so weit, daß sie solche Übergriffe verhindern können. Vor größeren Überfällen aber, versicherte mir der Be hu, seien wir hier ganz sicher.

Bei dem Fest der Tschendu-Mannen saß ich in dem hübschen bunten, blau, weiß und grün gestreiften Zelt des Be hu. Bald nach dem „lha gsol", der lauten Anrufung und der Libation an die Götter, löste der Branntwein die Zungen und ein „Zangsker", ein Liedchen oder Schnadahüpferl löste das andere ab. Eine Stunde erst mochte ich in der Runde der fünfzehn bis achtzehn Männer gesessen haben, lauter Bronzefiguren, fratzenhaft vom flackernden Feuer beschienen, da stieg das Gehänsel und nahm rasch scharfe Formen an. Mit einem Male springt der Sohn des Be hu, ein bildhübscher Jüngling von knapp achtzehn Jahren, an dem das rauhe Klima seiner Heimat noch nichts verwettert hatte, wie von der Tarantel gestochen vom Boden auf. Mit funkelndem Auge reißt er sein breites Schwert aus der Scheide und mit einer wilden Verwünschung ist er im Begriff, auf den Sänger, der eben an der Reihe ist und seine Zuhörer lachen macht, loszuhacken. Ganz knapp nur fangen die Dienstleute den wohlgezielten wuchtigen Hieb mit ihren Klingen auf und der Be hu entwaffnet eigenhändig und mit Mühe seinen toll gewordenen Sohn. Ein alter, wunder Punkt war in dem Liede genannt worden. Der Sänger, der im Dienste des Be hu stand, war ein Dergi-Mann von Geburt. Die Dergi-Leute aber hatten in den letzten Jahrzehnten, ihre Übermacht ausnützend, die Tschendu durch Übergriffe in deren Land, durch widerrechtliche Wegnahme und Besteuerung ihrer Acker derartig gedemütigt, daß der Be hu sich schließlich keinen anderen Rat mehr wußte, als den übermütigen Dergi für seine altangestammten und frei ererbten Ländereien eine jährliche Pachtsumme anzubieten. Ja, er war jetzt in erster Linie wegen